sie ist ein zuckersüßer fratz, alle haben sie lieb. mit ihren flaumblonden strähnchen über den dunklen kulleraugen kann sie alle in ihrer umgebung um den finger wickeln. ob papa, oma, opa – sogar die dicke dame hinter der wursttheke hat sie allerliebst – „nein, wie goldig, nein, wie süß, nein, schau mal wie sie nach der lyoner greift. nein nein lassense mal ruhig, danke sagen musse ja nicht, gott, ist die nett!“ nur mama steht manchmal neben sich und fragt sich, ob alle sie so kennen, wie sie sie kennt.
und schau, wie neckisch die kleine noch den noni (auch schnulli, dulli, dudu) im mundwinkel balanciert und ihr trotzdem gelingt, die wörter hervorzuschieben. und wenn man sie fragt, ob sie das gummi nicht mal herausnehmen möchte, grinst sie sich eins, schnappt ihn sich selbst, zieht ihn schnell heraus, macht eine vierteldrehung und schwuppdiwupp ist er wieder drin. und alle lachen. ist sie nicht ein zuckersüßer fratz?
sie spricht dazu noch allersüß, mit feinem lispeln hie und da, das /s/ und /z/ geht ja noch gar nicht, aber das macht den eindruck nur perfekt. denn welche dreijährige kann schon perfekt sprechen? vor allem mit dieser netten vorgeschobenen oberlippe vor den sich über den unterkiefer schiebenden schneidezähnchen. die zunge schaut hier gerne diebisch hervor, traut sich wohl nicht, hinter den weißen beißerchen zu bleiben. und mal ganz ehrlich? so sprechen sie doch alle in der post-pekip-nachwuchsgruppe. das ist doch wohl normal? und doch schließlich auch so nett?
klar spricht sie nicht mit jedem. schüchternheit ist schließlich eine zier. oder ein euphemismus. denn entscheiden wird sie immer selbst, wem sie ihre glockenhelle stimme schenkt. der rest wird mit schweigen abgewatscht – aber schüchtern bleibt sie, vielleicht auch ängstlich? bleibt doch soviel erklärungsspielraum hier bestehen.
ok, beim kindergartenanbeginn gabs kleine probleme – halb so wild – sie klebte mehr an mama als an den spielzeugen, versteckte sich gerne hinter den beinen ihrer mutter. und diese tante da im kindi kindergarten hörte zu allererst den zornesschrei und nicht die glöckchen. aber diese kennt dafür ihre blondgesträhnten fläumchenmädels. und stößt auf unverstand bei ihren eltern, wenn sie bittet, jetzt zu gehen. denn kann man dies ängstliche mäuschen einfach so hier lassen? sie ist doch so schüchtern, so vorsichtig, und … was, sprechen? das tut sie eben nur mit denen, die sie kennt. trotz ist doch was für jungs, die nicht gehorchen.
aber sonst ist sie ein zuckersüßer fratz – stets geputzt und stets geschniegelt, und stolz darauf, die kleidersachen selbst zusammen gesucht zu haben, auch wenn sie für den beginnenden herbst etwas kalt erscheinen. und mama begnügt sich, auch nur stolz zu sein und zu betonen, wie selbstständig doch die kleine ist. konflikte umgeht man, konflikte lenkt man ab.
sie ist ein zuckersüßer fratz.ungelogen. ganz klar.
und doch …
am ende der vorsorgeuntersuchung bemerkt die mutter – nachdem fläumchenmäuschen mit der glockenstimme krebsrot und verschwitzt vor brüllen in ihrem arm langsam ausventiliert – : „herr dokter, herr dokter, manchmal weiß ich auch nicht, was ich mit ihr machen soll.“