Wenn NEF oder RTW mit Blaulicht und Sirene durch die Straßen brettern, machen „normalsterbliche“ Verkehrsteilnehmer gerne Platz und blicken ehrfurchtsvoll den tollkühnen Rettern hinterher. Nur gut, dass die Rettungsfahrer alle ein perfektes Training absolviert haben. So ein Fahrstil ist ja schließlich nicht ganz ungefährlich. Was jedoch wenige wissen: Die Notfall-Helden, die da hinter dem Steuer sitzen, mögen eine hervorragende rettungsmedizinische Ausbildung genossen haben. Für das Fahren mit Martinshorn und Blaulicht, das Rasen über rote Ampeln und die Überquerung von Vorfahrtsstraßen, also das Fahren mit Sonderrechten, gibt es aber keineswegs eine besondere Ausbildung.
Die Fachzeitschrift „Der Notarzt“ beschäftigt sich mit diesem Thema in der aktuellen Ausgabe. Demnach sind solche Fahrten mit hohen Unfallrisiken verbunden. Im Vergleich zu „normalen“ Verkehrsteilnehmern sind die „Rettungspiloten“ doppelt so häufig in Unfälle verwickelt. Für das Rettungsdienstpersonal, die transportierten Patienten, sowie (für die Leser des Artikels sicher besonders bedenklich) die mitfahrenden Notärzte impliziert das natürlich ein nicht unerhebliches Gefährdungspotenzial. Von primär unbeteiligten Dritten ganz zu schweigen. Der Autor des Artikels stellt die These auf, dass diese gesteigerte Unfallrate bei Rettungsfahrten vor allem mit der mangelhaften Aus- und Fortbildung der Einsatzfahrer zu tun hat. In der Tat: Die Kenntnisse zum Führen eines Einsatzfahrzeugs unter Einsatzbedingungen beschränken sich bei den meisten Fahrern auf die Fähigkeiten, die in der „normalen“ Fahrschule erlernt wurden. Und dort hatten wahrscheinlich die wenigsten Golfs ein Blaulicht auf dem Dach.
Sollten Notärzte also in Zukunft lieber öffentliche Verkehrsmittel nutzen, wenn sie sicher zum Unfallort gelangen möchten? Ich persönlich würde das Modell „notärztliche Fahrgemeinschaft“ vorschlagen. Neben dem lobenswerten Beitrag zum Umweltschutz könnten sich die Rettungsmediziner dann auch das Equipment teilen.
Der Autor des Artikels im „Notarzt“ möchte die Hoffnung nicht aufgeben, dass man die Unfallrate vielleicht auch noch auf anderem Weg senken kann: Er appelliert an die Organisatoren und Träger des Rettungsdienstes, durch eine solide Grundausbildung und spezifische Fortbildungsangebote die – unzweifelhaft bereits hervorragenden – Fahrkünste der Rettungsfahrer weiter so zu verfeinern, dass sie auch die Ausnahmesituation des Fahrens unter Sonderrechten gut meistern können. Als Projekte mit Vorbildcharakter nennt er eine simulatorgestützte Fortbildung des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) sowie ein viertägiges Programm der Verkehrsakademie Sachsen. Bis es zu einem bundesweiten Ausbildungskonzept kommt, seien die Verantwortlichen des Rettungsdienstes gefordert, mit solchen Spezial-Trainings sicherzustellen, dass eine Qualifizierung der Rettungsfahrer erfolgt.
Vielleicht wäre aber auch schon viel erreicht, wenn sich die Blaulichthelden folgendes klar machen würden: Liebe Rettungsfahrer! Übermotivierte Raserei bringt nichts! Wenn eine Rettungsmannschaft auf Kosten von fünf Beinaheunfällen fünf Sekunden früher am Unfallort ankommt, ist herzlich wenig gewonnen, wenn sämtliche Mitfahrende völlig schweißgebadet sind und ihnen wegen der durchlittenen Todesangst so schlimm die Finger zittern, dass sie die Reißverschlüsse der Notfalltaschen nicht mehr aufbekommen…
Martin Wolff