Arztbewertungen: Besondere Anforderungen an Portale und Versicherer

Die zweite Welle der Arztbewertungen im Internet rollt an: Anno 2007 waren es garagen-basierte Start-ups, die einschlägige Portale ins Netz stellten. Jetzt, ausgelöst durch die Ankündigung des AOK-Bundesverbands, seinen Arzt-Navigator zu starten, steigen die Schwergewichte im Gesundheitsmarkt, die Krankenversicherungen, in den Ring. Doch wenn eine Krankenkasse ein Portal betreiben will, steigen die ohnehin schon hohen Anforderungen noch einmal. Denn Krankenkassen – als öffentlich-rechtliche Einrichtungen – haben noch höheren Anforderungen zu genügen als private Betreiber. In der aktuellen Ausgabe des Berliner Ärzteblatts ist ein interessanter Bericht darüber.

Stichwort Datenschutz: Das Sozialgesetzbuch V, § 284 erlaubt Krankenkassen das Speichern von Versicherten- und Behandlerdaten nur in sehr begrenztem Rahmen. Krankenkassen können sich auch nicht auf das Grundgesetz – Artikel 5, die Meinungs- und Pressefreiheit – berufen, um sie als juristische Grundlage für die Veröffentlichung von Bewertungen heranzuziehen. Denn die Grundrechte gelten nur für natürlich Personen. Laut dem Berliner Ärzteblatt rät der Jura-Professor Dr. Mario Martini von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer: „Denkbar ist, dass ein privater Betreiber das Portal in eigener Regie gestaltet und seine Dienste den Versicherten andient.“ Dann handele es sich nicht mehr um ein öffentlich-rechtliches Portal.

Stichwort Wettbewerb: Bei der Zusammenarbeit mit privaten Portal-Betreibern greift das Wettbewerbsrecht. Denn die Portale greifen in den freien Wettbewerb in der Ärzteschaft ein. Da gelten ebenfalls hohe Auflagen für öffentlich-rechtliche Institutionen. Die habe der AOK-Bundesverband umgangen, indem er mit der gemeinnützigen und wettbewerbsneutralen Bertelsmann Stiftung das Bewertungsportal realisiert habe, so das Berliner Ärzteblatt.

Stichwort Validität: Können Patienten die Qualität ärztlicher Leistungen überhaupt bewerten? Bereits im Jahr 2007 haben wir diese Frage den Ärzten im Rahmen unserer jährlichen Studie „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit“ gestellt. Überwiegende Meinung der Ärzte: Nein. Patienten können angeben, wie zufrieden sie mit der Organisation der Praxis und der Freundlichkeit der Mitarbeiter sind. Aber der Behandlungserfolg hängt von zu vielen Faktoren ab – unter anderem der Compliance der Patienten –, als dass diese die Qualität objektiv beurteilen könnten. Bewertungsportale sollten also auch nur die Dinge abfragen, die Patienten tatsächlich auch beurteilen können. Nur so lassen sich valide Daten erheben.

Und nochmal Stichwort Datenschutz: Ärzte müssen informiert werden, wenn sie in einem Portal bewertet wurden, zumindest bei der ersten Bewertung. Denn jeder Arzt hat das Recht zu erfahren, was im Internet über ihn geschrieben steht.

Stichwort Freitextfeld: Mal ehrlich: Wenn ich mir Online-Bewertungen anschaue, etwa wenn ich mir einen DVD-Player oder ein Laptop kaufen möchte, dann schaue ich nie nur nach der Anzahl der Sterne. Bei einer Positiv-Bewertung ist mir wichtig, ob sie darauf beruht, dass der User begeistert ist, weil der DVD-Player optisch so schön zum Fernseher passt, oder ob der Player eine einfache, intuitive Bedienung hat. Das eine ist nützlich für mich, das andere nicht. Oder schauen Sie mal bei Holidaycheck die Hotelbewertungen an: Können Sie sich die ohne Freitext vorstellen? Nur die Schulnoten; ohne zu wissen, wes Geistes Kind der Bewertende ist, weil kein Freitext verfügbar ist? Dasselbe gilt meines Erachtens für Arztbewertungen: Wenn ein Patient unzufrieden ist, kann das verschiedene Gründe haben; lange Wartezeiten in der Praxis beispielsweise. Das würde mich auch stören, wenn ich nur schnell ein Rezept abholen will. Aber wenn ich seit Monaten auf der Suche nach einem Experten bin, der meine chronischen Schulterprobleme in den Griff bekommt, dann stört es mich wenig, eine Stunde im Wartezimmer zu sitzen, wenn sich der Orthopäde anschließend viel Zeit für mich nimmt.

Doch Freitextfelder sind umstritten – mit Recht. Denn die Felder geben die Möglichkeit zu Beleidigungen und Schmähkritik. Juristen fordern daher, dass Freitextfelder redaktionell geprüft werden müssen. Das leisten wir übrigens mit der Arzt-Auskunft. Alle Einträge werden von geschulten Mitarbeitern gelesen, bevor die Kommentare online gestellt werden. Über 20.000 Bewertungen haben wir im Laufe der Jahre so schon aussortiert. (Wenn ein Portalbetreiber sich dabei nur auf automatisierte Texterkennung verlässt, um Schmähungen zu filtern, möge der bitte doch den Hinweis aufploppen lassen, dass Schmähungen zum Zwecke der besseren Erkennbarkeit bitteschön orthografisch korrekt eingegeben werden mögen.)

Die Auflagen zeigen die hohen Hürden für Krankenversicherer. Die gute Nachricht: Sie sind hoch, aber nicht unüberwindbar. Bereits im Jahr 2009 haben wir mit der Deutschen BKK eine Kooperation gestartet, bei der die Krankenkasse unsere Arztsuche, die Arzt-Auskunft, inklusive der Empfehlungen von Patienten und anderen Ärzten, eingebunden hat. Rechtssicher, versteht sich.

Hier findet sich eine Liste alle Anforderungen an Arztbewertungen.

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