Auf meinen offenen Brief von Juni 2010 kamen eine ganze Menge Rückmeldungen. Diese Woche kam noch eine, von einem MdB aus der Region. Er zitierte die offiziellen Verlautbarungen des Gesundheitsministeriums, bei dem er sich eigens (mein Dank dafür) erkundigt hatte:
So erhöhte sich nach den dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorliegenden Informationen im Bereich der KV Nordrhein für Fachärzte der Psychiatrie und Psychotherapie der RLV-Fallwert für das dritte Quartal 2010 auf 43,04 Euro von 22,12 Euro bzw. 12,44 Euro (anhängig vom Anteil der psychotherapeutischen Leistungen) im dritten Quartal 2009. Dies entspricht einer Steigerung von + 94,5 Prozent bzw. + 245,9 Prozent. Zudem erhalten Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie bei entsprechender Leistungserbringung und — falls erforderlich — vorhandener Qualifikation zusätzlich zu ihrem RLV eine Reihe von QZV, wodurch sich das dem einzelnen Arzt zur Verfügung stehende Budget (Honorarvolumen) erhöht.
Boah, ey! Jetzt fühle ich mich richtig mies. Wie konnte ich nur so unverschämt sein… läuft doch alles bestens!
Leider sind die Angaben des BMG schlicht unzutreffend:
Im Bereich der KV Nordrhein wurden die RLV von ursprünglich 48,76 Euro im ersten Quartal 2009, und 40,70 Euro im zweiten Quartal 2009, auf durchschnittlich 21 Euro in den Quartalen 3/09-2/10 abgesenkt. Diese Absenkung hing nicht mit dem Anteil der psychotherapeutischen Leistungen zusammen, sondern mit dem Anteil der psychiatrischen Gesprächsleistungen.
Nachdem die psychiatrischen Gesprächsleistungen vom 3. Quartal 2010 an wieder in die RLV hinein gerechnet wurden, stiegen die RLV im 3. Quartal 2010 wieder auf 43,03 Euro, im 4. Quartal 2010 auf 46,31 Euro.
Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie erhalten zudem nicht „eine Reihe von QZV“, sondern ein einziges QZV in Höhe von 3,49 bzw. 3,70 Euro für die Betreuung psychisch Kranker im sozialen Umfeld. Als einzige, „freie“ Leistung, bleibt die genehmigungspflichtige Psychotherapie übrig.
Die Darstellung des BMG, die vorgebliche Steigerung der Honorarzahlungen von bis zu 245,9 Prozent betreffend, ist daher unwahr. Auch die Begründung, die Veränderung der RLV sei auf die Verrechnung psychotherapeutischer Leistungen zurückzuführen, ist unwahr. Schließlich ist die Behauptung, es gebe eine ganze Reihe lukrativer Zusatzbudgets, ebenfalls unwahr.
Ist das jetzt Dummheit, oder ist das gezielte Desinformation? Und was ist schlimmer?
Unabhängig davon hat der Abbau der psychiatrischen Versorgung zugunsten der psychotherapeutischen Leistungen längst begonnen. Angesichts der Tatsache, dass die Vollversorgung eines oft schwer und mehrfach behinderten, psychisch kranken Menschen mit insgesamt rund 48 Euro im Quartal honoriert wird, während für eine Stunde Psychotherapie ein Honorar von 81,14 Euro erlöst werden kann, haben sich bereits viele KollegInnen zunehmend aus der psychiatrischen Versorgung zurückgezogen. Welche Folgekosten das nach sich zieht, und welche Bedeutung für den sozialen Frieden die zunehmende Zahl unbehandelter, psychisch kranker Menschen auch in seinem Wahlkreis hat, überlasse ich der persönlichen Einschätzung meines Bundestagsabgeordneten.