Herr Wanzengruber ist mal wieder da: in der letzten Nacht eingewiesen worden nachts vom hausärztlichen Notdienst. Wieder mal. Der Dienst habende Kollege kannte ihn wohl noch nicht. Oder vielleicht auch doch, aber was soll man tun, wenn ein fünfundachtzigjähriger Herr auf dem Boden liegt, vor Schmerzen jammert und sich nicht bewegen kann? Und wenn dieser ältere Herr dann auch noch völlig alleine in diesem Hexenhäuschen wohnt?
„Schickt mich nach Hause!“ bellt Herr Wanzengruber, schlecht gelaunt wie immer und starrt mich mit seinen eisgrauen Augen an.
Ich beschließe, das unmögliche zu wagen.
„Haben Sie sich eigentlich schon einmal Gedanken darüber gemacht…“, ich mache eine Pause und hole Luft, „haben Sie vielleicht schon einmal daran gedacht, in ein Heim zu gehen?“
Herr Wanzengruber wirft mir einen Blick zu, der töten könnte.
War nur so’n Gedanke. Nur ‘ne kleine Anregung….
„Aus meinem Haus müsst Ihr mich mit den Füßen zuerst raustragen!“ murmelt Herr Wanzengruber.
Ich schüttele den Kopf und begebe mich ins Arztzimmer. Nehme mir einen Kaffee und greife mir die Krankenakte. Darin stehen die Kontaktdaten des nächsten Angehörigen: sein Sohn, der wohnt mehrere hundert Kilometer entfernt.
Ich zögere einen Moment, dann atme ich tief durch und wähle die Telefonnummer.
Nach langem Klingeln geht wer dran.
„Hallo?“
Ich stelle mich artig vor.
„…es geht um Ihren Vater!“
„Um wen?“
„Ihren Vater. Herrn Wanzengruber, Hans…“
Pause.
„Hallo? Sind Sie noch dran?“
„Ich habe keinen Vater!“
„Entschuldigung, ich spreche mit Herrn Wanzengruber, Horst in…“
„Ich habe keinen Vater!“
„Sie sind also nicht der Sohn von…“
„Hören Sie! Zu diesem Mann habe ich seit zwanzig Jahren keinen Kontakt mehr. Und dafür gibt es Gründe. Gründe, die ich Ihnen jetzt nicht erläutern möchte. Jedenfalls lehne ich jede Verantwortung ab. Was auch immer mit dem passiert geht mich nichts mehr an!“
Und damit unterbricht er die Verbindung.