(Foto: © Zaubervogel auf pixelio.de)
„Herr Doktor, ich kann nicht schlafen, schreiben Sie mir mal was auf..“ Diesen Satz höre ich nicht selten in der täglichen Praxis. Leider geht das nicht so einfach. Der Schlafmangel ist ein kompliziertes gesundheitliches Problem mit vielen verschiedenen Ursachen und vielen verschiedenen Therapien.
Rund 10 % der Bevölkerung leidet an dauernden Schlafstörungen, rund 30 % sind hin und wieder unzufrieden mit der Länge und/oder der Qualität ihres Schlafs.
Ältere Leute brauchen weniger Schlaf
Vor allem viele ältere Leute haben unrealistische Vorstellungen davon, wie lange sie schlafen müssten. Es gibt keine einheitliche Schlafdauer für jeden. Der eine ist mit 5 Stunden ausgeschlafen, der andere braucht mindestens acht. Unbestreitbare Tatsache ist aber: Der Mensch braucht im Laufe seines Lebens zunehmend weniger Schlaf, um morgens erfrischt und ausgeruht dem Tag entgegen zu sehen. Älteren Menschen wird der Tag aber oft zunehmend beschwerlich, oft auch einsam, da soll der Schlaf Entlastung bringen. Wer aber mit 80 Jahren abends um 21 Uhr ins Bett geht, ist möglicherweise um 2 Uhr nachts ausgeschlafen. Schlaftabletten helfen hier nicht, erhöhen möglicherweise nur das Risiko für einen Sturz.
Körperliche Erkrankungen können schlaflos machen
Viele körperliche Erkrankungen können den Schlaf stören: Schilddrüsenerkrankungen, Asthma und chronische Bronchitis, Herzleiden und die Parkinson Erkrankung sind nur ein paar Beispiele dafür. Es nützt nicht: Zur Diagnose bei Schlafstörungen gehört eine gründliche allgemeinärztliche Untersuchung, manchmal sind weiterführende diagnostische Prozeduren wie eine Blutabnahme, Röntgen oder eine Ultraschalluntersuchung erforderlich.
Schlafapnoe
Manche Patienten „vergessen“ im Schlaf zu atmen. Meist sind es Schnarcher, bei denen im Schlaf die Atmung aussetzt. Schlafapnoe nennt man diese Krankheit, Apnoeheißt ohne Atmung auf Altgriechisch. Durch den Mangel an Sauerstoff wird der Patient mehrfach in der Nacht „geweckt“. (Oft wird er nicht richtig wach, nur der Tiefschlaf wird verhindert, die oberflächlichen Schlafstadien nehmen zu.) Der Patient fühlt sich am Tage unausgeschlafen, hat manchmal den unbedingten Wunsch jetzt sofort einzuschlafen und tut dies bisweilen sogar, obwohl er es nicht sollte – z.B. am Steuer eines LKW auf gerader Strecke am helllichten Tage.
Ein kleines Gerät, das der Patient eine Nacht mit sich trägt und zu Hause schläft, dient dem „Screening“, also der Suche nach einem oder mehreren Atemstillständen in der Nacht. Zeigt der Screeningtest längere und häufige Stillstände der Atmung, dann ist eine Untersuchung im Schlaflabor zur genauen Abklärung fällig.
restless legs – die ruhelosen Beine
Es zuckt und schmerzt in der Wade, im Bein, vor allem, wenn der Patient zur Ruhe kommt, erst recht, wenn er im Bett liegt und einschlafen will. Das Syndrom der unruhigen Beine, das Restless Legs Syndrom ist oft eine Quelle hartnäckiger Einschlafstörungen. Über die Ursache wissen wir nicht viel, aber wir können es gut behandeln, mit Medikamenten, die auch gegen die Parkinsonkrankheit helfen. Mit Parkinson haben die restless legs dennoch nichts zu tun.
Eng verwandt scheint das Syndrom der periodischen Beinbewegungen im Schlaf zu sein. Beine und Arme des Patienten zucken im Abstand von 20 bis 40 Sekunden, der Patient wird immer wieder aufgeweckt.
Psychisch Kranke schlafen meistens schlecht
Für die Depression typisch ist das früh-morgendliche Erwachen, daran schließt sich das morgendliche Stimmungstief an. Oft kündigt das morgendliche Erwachen die depressive Episode an. Aber auch Ein-und Durchschlafstörungen können Symptome der Depression sein. Bei den Schizophrenien und Angsterkrankungen ist oft der Schlaf nachhaltig gestört. Alkoholiker klagen oft über Schlafmangel, während der Erkrankung, aber auch im Entzug und in der Rehabilitation, das gleiche gilt für Medikamenten- und Drogenabhängigkeit. Demenzpatienten sind oft gerade des nachts besonders unruhig.
Kaffee, Tee, Zigaretten, Medikamente und Alkohol
Viele Medikamente können den Schlaf stören, besprechen Sie dieses Problem mit Ihrem Hausarzt, wenn Sie meinen, nach einem neu verordneten Medikament schlechter schlafen zu können. Alkohol ist kein gutes Schlafmittel: Das Einschlafen wird leichter, aber die Schlafqualität leidet. Schwarzer Tee, Kaffee und Zigaretten wirken oft bis zu acht Stunden lang aufputschend. (Manchmal hilft eine Tasse Kaffee jedoch einem Demenzkranken zum Einschlafen – altes Nachtschwestern-Rezept ohne jeden wissenschaftlichen Nachweis.)
Schlaflos ohne erkennbare Ursache: „Primäre Insomnie“
In den Fällen, in denen keine Ursache gefunden werden kann, spricht man von „primärer“ Schlaflosigkeit („Insomnie“).
Manchmal ist eine primäre Insomnie auch eine Folge schlechter Angewohnheiten – zunächst hat eine Krankheit Schlaflosigkeit hervorgerufen, jetzt raubt die Angst vor Schlafmangel und der regelmäßige Mittagsschlaf oder die Abhängigkeit von Schlafmitteln den erquickenden Schlaf in der Nacht.
In anderen Fällen scheinen die Gene schuld zu sein, Schlafstörungen häufen sich in bestimmten Familien.
Bisweilen liegt auch gar keine Schlafstörung vor sondern nur eine unrealistische Erwartung an die Schlafdauer. Manche Menschen glauben, sie müssten so und so viel Stunden schlafen, um gesund leben zu können. Dabei ist die Menge an Schlaf, die jeder Mensch braucht, durchaus unterschiedlich. Es gibt Erwachsene und vor allem ältere Menschen, die nach fünf Stunden ausgeschlafen sind, andere brauchen mehr als neun. Die erste Frage, die man sich selber stellen sollte, ist also: „Bin ich tagsüber müde?“ Wenn keine Tagesmüdigkeit vorliegt, dann ist der Schlaf ausreichend, auch wenn er nur kurz währt.
Behandlung von Schlafstörungen
Die Behandlung von Schlafstörungen kann sehr einfach sein, manchmal hilft ein einziger Rat. Manchmal ist es ein sehr schwieriger Prozess, der sich über Jahre hinzieht und manche Menschen werden ihre Schlafstörung nie los.
In allen Fällen, in denen eine Krankheit – sei sie körperlicher oder seelischer Natur – vorliegt, steht die Therapie der Krankheit im Vordergrund. Einige allgemeine Ratschläge gelten bei fast allen Formen der Schlaflosigkeit.
Schlafmangel bringt mich nicht um
Viele Patienten schlafen nur deshalb schlecht, weil sie krampfhaft versuchen, einzuschlafen. Sie befürchten körperliche Schäden, wenn sie nicht genug schlafen. Angeheizt werden die Befürchtungen noch durch reißerische Veröffentlichungen der Presse. Einschlafen geht aber nicht auf Befehl, Angst verhindert das Einschlafen. Natürlich fühlt man sich am nächsten Tag nicht so gut, wenn man zu wenig geschlafen hat. Die Konzentration und vor allem die Reaktionsfähigkeit können schlechter sein, aber oft sind die Auswirkungen minimal.
Keinen Schlaf nachholen!
Viele Schlaflose legen sich nach einer schlecht durch geschlafenen Nacht am nächsten Mittag ins Bett oder gehen am nächsten Abend früher schlafen. Diese Reaktion ist grundverkehrt und kann eine Schlaflosigkeit chronisch machen. Gehen Sie am nächsten Abend zur gewohnten Zeit ins Bett, der Körper gleicht das Schlafdefizit durch einen intensiveren Schlaf aus. Das Gleiche gilt für das Ausschlafen am Wochenende. Oft führt diese gemütliche Angewohnheit zu Schlafstörungen am Montag und Dienstag.
Auf den Rhythmus achten !
Jeder Mensch hat seinen eigenen Rhythmus: es gibt „Eulen“, die abends nicht rein und morgens nicht raus kommen und „Lerchen“, die abends früh müde und morgens früh wach werden. In gewissen Grenzen lassen sich durch Training Umstellungen erreichen, das Grundmuster läßt sich aber nicht nachhaltig verändern. Es ist besser, man gehorcht seinem Rhythmus und sucht sich eine Arbeit, die im Arbeitsbeginn und Ende dem eigenen Schlaf-Wachverhalten am besten entspricht.
Leider ist das vielen Menschen nicht möglich, besonders die Schicht- und Nachtarbeit ist für eine Vielzahl von Schlafstörungen verantwortlich. Auch der Schulbeginn ist zu früh, warnen viele Schlafforscher. Die unselige Sommerzeit sorgt in schwächerer Form zu Beginn des Sommers für einen kleinen Jetlag bei einer Vielzahl von Menschen.
Rituale helfen
Bei Kleinkindern ist es das Vorlesen oder Singen nach dem Abendessen und dem Zähne putzen. Auch bei Erwachsenen wird das Einschlafen durch all abendliche Rituale günstig beeinflusst. Wer sich abends nicht von seinen Sorgen trennen kann, der sollte sie in ein Buch schreiben, damit er am nächsten Morgen wieder darüber nachdenken kann. Das Ritual sollte nicht zu lange dauern, etwa eine halbe Stunde reicht aus und natürlich sehen sie bei jedem anders aus. Bei dem einen ist es der Rundgang durchs Haus, der andere bevorzugt eine (am besten nicht zu spannende) Lektüre, Radio- oder Musik hören.
Das Bett ist nur zum Schlafen da …
Patienten mit Schlafstörungen wälzen sich oft stundenlang im Bett herum, ohne (wieder) einschlafen zu können. Genauso wie uns beim Anblick einer leckeren Mahlzeit „das Wasser im Munde zusammen läuft“, genauso soll uns der Anblick unseres Bettes müde machen. Und nicht an die letzte und vorletzte schlaflose Nacht erinnern. Also: Wenn Sie nicht einschlafen könne, raus aus dem Bett! Gehen Sie irgend einer langweiligen Beschäftigung nach: Bügeln z.B. oder Wäsche zusammen legen.
Fernsehen oder am Computer spielen ist nicht so optimal, macht nicht so müde, kann eher aufregend wirken.
Außer sexueller Aktivität sollte das Bett wirklich nur zum Schlafen benutzt werden, wenn sie unter Schlaflosigkeit leiden. Diskutieren Sie bloß nicht die Probleme des Tages oder gar Eheprobleme abends vor dem Einschlafen. Sehen Sie im Bett nicht fern, essen Sie nicht im Bett, grübeln Sie nicht.
Bloß keine Schlafmittel, Alkohol hilft auch nicht
Schlafmittel sollen das Einschlafen erleichtern und das Durchschlafen garantieren, heute gehören sie meistens zur Stoffgruppe der Benzodiazepine. Benzodiazepine sind gut verträglich, ihre Einführung war ein echter Fortschritt gegenüber den Barbituraten. Mit Barbituraten konnte man sich umbringen, mit Benzodiazepinen ist dies kaum noch möglich. Das Gefährliche an der Stoffgruppe der Benzodiazepine: Sie können innerhalb kürzester Zeit eine schwere Abhängigkeit erzeugen. Sie helfen auch nicht wirklich. Der Patient schläft länger, aber nicht besser. Der Schlaf ist nicht so erquickend wie der Schlaf ohne Schlafmittel. Und schließlich braucht man das Schlafmittel nur, um die Beschwerden des Entzugs zu lindern. Ein Symptom des Entzugs: Die Schlaflosigkeit!
Klar, Benzodiazepine haben noch einen Nutzen: Am Abend vor der Operation etwa. Aber bitte nie länger als 14 Tage einnehmen. Und am besten in der zweiten Woche nur jeden zweiten Tag.
Auch frei verkäufliche Schlafmittel helfen nicht. Sie stören die Schlaf“architektur“ – das ist die Abfolge von Leichtschlaf, Traumschlaf und Tiefschlaf, die sich jede Nacht in immer wiederkehrenden Zyklen wiederholt. Das gleiche gilt für die Wirkung von Alkohol: Er erleichtert das Einschlafen, aber er erschwert das Durchschlafen. Zu Beginn der Nacht werden die Traumphasen weniger, in der zweiten Hälfte vermehren sich die Träume, der Schlaf wirkt nicht mehr so erholsam wie ohne Alkohol.
Bei depressiven Erkrankungen werden oft schlafanstoßende Antidepressiva zur Nacht gegeben, die Aktivität steigernde dagegen morgens. Antidepressiva sind keine Schlafmittel, obwohl sie den Schlaf fördern können. Bei der Depression und auch in der Therapie chronischer Schmerzen sind sie eine echte Bereicherung, sie erzeugen in der Regel keine Abhängigkeit.
Autogenes Training
Das autogene Training und andere Techniken zur Entspannung sind in vielen Fällen sehr empfehlenswert. Oft werden Kurse in der Volkshochschule und von den Krankenkassen angeboten. Sie sind hilfreich, wenn – wie so oft – die Erwartungsangst (Ob ich wohl heute wieder nicht schlafen kann?) das Einschlafen verhindert.
Früh genug zum Arzt
Wenn dies alles nichts hilft, suchen Sie Ihren Hausarzt auf. Jeder schläft mal schlecht, jeder hat mal Sorgen. Wenn aber Hausmittel und alle Tricks nichts mehr helfen, dann wird es Zeit, einen Termin beim Hausarzt zu machen. Natürlich hat der auch kein Patentrezept. Aber er wird abklären, ob es körperliche oder seelische Gründe für Ihre Schlaflosigkeit gibt, die behandelbar sind. Möglicherweise wird er Sie an einen Spezialisten verweisen, vielleicht noch einige Untersuchungen veranlassen.
Warten Sie nicht zu lange, chronische Schlafstörungen sind schwer zu behandeln, je länger eine Schlaflosigkeit andauert, um so schwieriger wird die Therapie.
Quellen
Schlafmedizinisches Zentrum München, umfassende Information, eher etwas für den Fachmann
Das Schlafmagazin – habe hier viele nützliche Tipps entdeckt