Die Nachfrage für einen Ratgeber zu diesem Thema scheint vorhanden zu sein. Das hier ist nämlich neben der Ösophagusvarizenblutung, dem blauen Erbrechen und natürlich den Einlaufgeschichten der meistgesuchte Suchbegriff überhaupt.
Zeit, sich diesem Thema einmal seriös in einer kleinen Ratgeberreihe zu widmen.
Zunächst ist es natürlich interessant zu wissen, in welchen Situationen wir eigentlich total ahnungslos sind.
Wie reagieren wir? Und wie könnten wir stattdessen besser reagieren, sodass unsere Ahnungslosigkeit vielleicht gar nicht bemerkt wird?
Mir fallen, auf meine bisherige Ausbildung rückblickend, auf Anhieb einige solcher Situationen ein …
Warum war ich in diesen Situationen ahnungslos?
Nun, stellt euch vor, ihr habt gerade die Prüfungen zum Rettungshelfer überlebt überstanden bestanden. Voller Aufregung und Vorfreude startet ihr in euer allererstes Krankenhauspraktikum. 160 Stunden voller Action, Adrenalin, Blut, Heldentaten und, ähm, gähnender Langeweile stehen euch bevor.
Nachdem euer Rettungshelfer-Zeugnis, euer Personalausweis und euer Impfbuch kopiert wurde, werdet ihr in der Kleiderkammer ausgesetzt. Dort drückt ein schlechtgelaunter Mitarbeiter euch die Bestandteile eines absolut grässlichen Praktikanten-Outfits in die Arme.
Mintgrünes, knielanges Kleidchen zu weißer, viel zu enger und zu langer Karottenhose? Ziemlich demütigend, ich sag’s euch!
Ihr dackelt rüber in die Notaufnahme, verlauft euch dabei zweimal und kommt deswegen drei, vielleicht sogar vier Minuten zu spät.
Eine nicht wirklich ausgeschlafene aber dennoch recht freundliche Schwester führt euch einmal rum, zeigt euch jeden Raum und erklärt auch ausführlich, was in welchem Raum gemacht wird.
Ihr könnt euch nicht eine einzige Zuordnung merken. Internistisch? Septisch? Aseptisch? Wo soll jetzt nochmal was hin?? Und wie war doch gleich der Name der Schwester?
Völlig planlos also.
Ihr seid inzwischen schon so richtig gut eingeschüchtert und wollt nicht schon in den ersten zehn Minuten den Eindruck erwecken, ihr würdet am Durchgangssyndrom leiden. Also lächelt ihr brav und nickt und fragt euch währenddessen die ganze Zeit, wie ihr bloß die zwei Wochen hier überleben sollt, wenn ihr doch ohne fremde Hilfe noch nicht einmal den Ausgang wiederfinden würdet.
Nun, das ist nicht sicheres Auftreten bei vollkommener Ahnungslosigkeit. Das ist eher zaghaftes, schüchternes Auftreten bei vollkommener Ahnungslosigkeit.
Was ich hätte besser machen können:
Anstatt brav zu lächeln und stumm zu nicken, greift relevante Worte eures Gegenübers auf und wiederholt sie mit wissendem Tonfall.
Ein Beispiel:
“Und das hier ist unser Schockraum.”
“Ah, der Schockraum!” (Nicht: “Der Schockraum?” – wir wollen um jeden Preis kompetent wirken!)
Seid nicht allzu wahllos darin, welche Worte ihr wiederholt. Nichts wirkt grenzdebiler als ein “Und hier unser!”, egal wie sicher und fest eure Stimme dabei klingt.
Das lässt sich auch prima im Alltag üben.
Geht in ein Fachgeschäft und lasst euch dort vom freundlichen und kompetenten Kundenberater etwas erklären, das ihr nie im Leben jemals verstehen werdet.
Setzt dabei euren selbstbewusstesten Gesichtsausdruck auf und wiederholt in Stichworten die wesentlichen technischen Details, als zählten diese Wörter völlig selbstverständlich zu eurem aktiven Wortschatz.
Übt dies fleißig.
Nächsten Montag treffen wir uns wieder in der Notaufnahme und nehmen unter die Lupe, wie unsere Körpersprache unsere Unsicherheit verraten wird und was wir dagegen tun können.
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