Der deutsche Philosoph Thomas Metzinger sucht intensiv den Kontakt mit den Neuro- und Kognitionswissenschaften. In diesem Vortrag fasst er sein Modell des phänomenalen Selbstbewusstseins zusammen. Spannend an der ganzen Sache ist, dass Metzinger Subjekt und Bewusstsein, wie wir es heute als gegeben annehmen, grundlegend in Frage stellt. Wer Blut geleckt hat, kann sich bei Youtube […]
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Frage (Update 42)
Bin ich der einzige, der die gestrige ARD-Dokumentation über die von der bösen Pharmaindustrie seit 20 Jahren verhinderte rosafarbene Vitamin-B12-Salbe namens “Regividerm”, die Neurodermitis zu “heilen” in der Lage ist, spontan für einen aberwitzigen PR-Stunt erster Güte hält?
Hier der Link zur Sendung.
Die Süddeutsche Zeitung glaubt die Geschichte.
Fefe, unumstrittener Experte für Verschwörungen jeglicher Art, glaubt sie auch.
Die Home-Page des Herstellers: www.regividerm.de
Wir haben uns deshalb gegen alle Widerstände entschlossen, Regividerm® Salbe selbst zu produzieren und hoffen, damit schon bald den Betroffenen der großen Zivilisationskrankheiten Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte) wirksam und nebenwirkungsarm helfen zu können!
Update: Mehr über die Hintergründe gibt es in einem gut 5 Jahre alten Artikel der Boocompany.
Update 2: Vielleicht fehlt ja dem Autor auch ein wenig Abstand zu seiner Geschichte:
Update 3: Martens’ Rezeptbuch zur Doku erreicht Platz 5 der Amazon-Bestsellerliste.
Update 4, 14:30: Platz 3. Herta Müller ist gepackt. Da geht noch was.
Update 5, 17:45: Wer das Rezeptbuch noch nicht bestellt hat, kann sich auch gleich die fertig zusammengerührte Wundersalbe holen. Das ging ja dann doch erstaunlich fix, wenn man das resignierte Gejammer im Film noch vor Augen hat.
Update 6. 18:05: Die Süddeutsche Zeitung bringt einen weiteren Artikel und hat noch nicht Lunte gerochen:
So lange wird er jedenfalls nicht mehr auf Regividerm warten müssen, dem Mann kann geholfen werden. Siehe Update 5.
Update 7: Ich habe ja schon so manche Markteinführung von fragwürdigen Medikamenten und Medizinprodukten verfolgt. Aber diese Geschichte hier hätte man nicht besser inszenieren können. Allein das Timing ist schon ein Meisterstück.
Update 8: Meine absolute Lieblingsstelle im Film ist übrigens ein Zitat von Professor Peter Altmeyer, einem der verantwortlichen Wissenschaftler der beiden bislang bekanntgewordenen Regividerm-Studien (bei ca. 11:25):
Update 9: Hier hat sich jemand die beiden rosabedingt unverblindeten Studien genauer angesehen und ist nicht überzeugt.
Update 10: Die Süddeutsche Zeitung freut sich jetzt in ihrem dritten ahnungslosen Artikel mit uns, dass Regividerm überraschenderweise doch nicht erst in 14 Jahren zu haben sein wird.
TV wirkt.
Update 11: In einem hektisch nachgeschobenen vierten Artikel beginnt die Süddeutsche Zeitung jetzt, mit kräftigen Schlägen zurückzurudern. Aber sie glauben immer noch, dass die Studien verblindet gewesen seien:
Nein. Denn wir wissen ja:
[Edit: In der zweiten Studie ging es dann doch, obwohl “das rosa ist”. Der unglaubliche Trick: Die Placebosalbe war auch rosa!]
Und:
Hätte mich ehrlich gesagt auch überrascht.
Update 12: 21.10., 21:00 Jetzt übernimmt Spiegel Online die PR-Arbeit für die Wundersalbe.
Update 13: Martens bekommt bei Frank Plasberg mit einem seltsam deplaziert wirkenden Auftritt noch einmal eine Plattform für seine Wundersalbenmär, eiert aber gewaltig herum und kommt in der Diskussion mit den anderen Gästen schwer unter die Räder (gegen Ende der Sendung). Auch Markus Grill, nicht im Verdacht, ein Pharmalobbyist zu sein, zeigt sich überaus skeptisch. Er weist auf einen weiteren fundamentalen Denkfehler in der Geschichte hin: Der Preis der Zutaten bestimmt in diesem Markt bekanntermaßen nicht den Preis des Medikaments. Ganz im Gegenteil könnte ein Pharmaunternehmen, das die Patentrechte besitzt, nahezu jeden beliebigen Preis für die Salbe verlangen, wenn sie denn nur besser wirken würde als Vergleichspräparate (wofür es in den beiden vorliegenden Studien keinerlei Anhaltspunkte gibt). Eine zentrale Säule von Martens’ Verschwörungstheorie ist es ja, dass der “günstige” Preis der Salbe quasi vom Erfinder oder durch den geringen Preis der Zutaten vorgegeben sei, und dadurch im Falle einer Vermarktung der Salbe durch Big Pharma der bisherige große Reibach mit teuren (und schlechten) Präparaten ein Ende gehabt hätte.
Update 14: Jetzt ist die Story in den Nachrichten der ARD-Radiosender angekommen. Als Quelle für die Geschichte dient Spiegel Online. Märchen-Ping-Pong.
Update 15: Im Ökotest-Forum, in dem die Geschichte fachkundig kommentiert wird, ist ein weiterer eklatanter Widerspruch aufgefallen:
Er wurde gestern von Plasberg gefragt, was denn Klingelhöller von dem Spinner in der Garage unterscheide.
Martens (sinngemäß): er hat erst klinisch geprüft und dann versucht, zu vermarkten.
Ja klar. Augenrollen
Für das angebliche “Jahr Recherche” ist das aber sehr mager. Er widerspricht damit sogar seinem eigenen Bericht. Aus dem Bericht geht klar hervor, dass die Mini-Studien erst nach 2000 angeleiert wurden.
Das Patent läuft dagegen auf 1994 und er hat das nach dem Bericht nach schon 1994 mehreren Firmen angeboten. hat Martens seinen eigene Film nicht gesehen?
Update 16: Ein Leser weist uns in den Kommentaren darauf hin, dass zur rechtzeitigen Erteilung der PZN (Pharmazentralnummer) für Regividerm eine Anmeldung spätestens am 25.9. notwendig war (links auf “Redaktionskalender” klicken). Dieser Termin liegt vor der ersten uns bekannten öffentlichen Erwähnung der Martens-Doku in einer KNA-Pressemeldung von 29.9. Ist noch irgendeine Aussage der Protagonisten übrig, die sich noch nicht als falsch entpuppt hat? (Siehe dazu auch diesen Kommentarthread. )
Update 17: Regividerm: Wenn die Ethikkommission Urlaub hat…
Update 18: Wir begrüßen fast drei Tage nach der Sendung die Deutsche Apotheker Zeitung als das erste “Mainstream-Medium”, das den Verstand wenigstens nicht komplett an der Garderobe abgegeben hat.
Update 19: Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Die Augsburger Allgemeine – die seinerzeit sogar unser Bankhofer-Video eingebunden hatte – schenkt uns einen Link.
Update 20: Auch der zu Beginn des Artikels erwähnte Blogger Fefe rudert jetzt zurück:
Update 21: Nachdem die eidgenössische Presse erst in breiter Front unkritisch auf das Thema eingestiegen war, vernehmen wir jetzt deutliche Worte aus der Schweiz:
Update 22: Aus dem gleichen Text eine Passage, die meine Ausgangsthese noch einmal schwarz auf weiß bestätigt:
Update 23: Die dpa ist zwar spät dran, dafür hat sie trotzdem nichts kapiert. Erbärmlich.
Update 24: Wenigstens die Nachdenkseiten haben, wenn auch spät, das getan, was ihr Name verspricht.
Vielleicht auch ein Vorbild für andere?
Update 25: Der Deutsche Neurodermitis Bund meldet sich zu Wort:
[…]
Die ARD hat mit diesem Beitrag den etwa fünf Millionen Neurodermitikern einen Bärendienst erwiesen und sich selbst journalistisch ins Abseits gestellt.
Update 26: Unterdessen sackt der vom Lügengebäude übriggebliebene Trümmerhaufen noch weiter in sich zusammen (vgl. Update 16):
Update 27: Medienjournalist Stefan Niggemeier nimmt sich im FAZ-Fernsehblog den “Hart aber fair”-Moderator Frank Plasberg zur Brust:
Update 28: Hier noch ein pikantes Detail aus dem oben verlinkten Artikel der Deutschen Apotheker Zeitung:
Das würde man bei einer Bankhofer-Sendung in einem dubiosen Spartenkanal mit finanziellen Verbindungen zur Medienaufsicht eher erwarten. Allerdings gibt’s solcherart CDs für den Anbieter des angepriesenen Produkts dort üblicherweise nicht umsonst.
Update 29: Auch der Deutsche Psoriasis Bund (DPB) meldet sich zu Wort und fordert eine Entschuldigung von der ARD:
[…]
Der DPB hat den Vorsitzenden der ARD-Intendanten aufgefordert, sich mediengerecht, öffentlich für die Missachtung publizistischer Grundsätze bei den Menschen mit Schuppenflechte zu entschuldigen und den Deutschen Presserat angerufen.
Update 30, 23.10.: Eine recht nette Zusammenfassung der Ereignisse. Auszug:
Update 31: Es wird noch besser:
Update 32: Der WDR dokumentiert einige “kritische Reaktionen”. Vom Eingeständnis des eigenen Versagens keine Rede.
Update 33: Ein Betroffener berichtet, wie er die Kampagne erlebt hat.
Update 34: Einen schönen Überblick über den Fall mit lehrreichen Hinweisen für angehende Medizinjournalisten gibt es übrigens bei den Kollegen vom Esowatch-Blog.
Update 35: Die Kollegen von den ScienceBlogs haben sich die dürre Studienlage zu Gemüte geführt. Eine weitere Einschätzung hatten wir schon bei Update 9.
Update 36 Die Kollegen von Esowatch haben in kurzer Zeit einen beeindruckenden Artikel zum Stichwort Regividerm auf die Beine gestellt, der die bislang bekannten Fakten in klarer Sprache zusammenstellt. (Wenn man das jetzt mit dem vergleicht, was der preisgekrönte Starjournalist Klaus Martens nach “einem Jahr Recherche” herausgefunden hat…)
Update 37: Löscht der WDR kritische Kommentare zum Regividerm-Märchen?
Update 38, 24.10., 11:15: Spiegel Online rudert endlich zurück, hält es aber bislang nicht für notwendig, seine erste Version des Märchens wenigstens mit einem entsprechenden Hinweis zu versehen. (vgl. Update 12)
Update 39, 18:45 Danke.
Update 40 Wahrheit unerwünscht: WDR löscht kritische Kommentare zu Regividerm
Update 41, 25.10., Das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” hat in seiner morgigen Ausgabe auf S. 105 ein Stück mit dem Titel Übler Nachgeschmack: In einer Dokumentation und bei “Hart aber fair” propagierte die ARD eine Paste, die gegen Neurodermitis helfen soll. Doch wem nutzt die wirklich? Den Artikel habe ich noch nicht gelesen. Es ist jedoch absehbar, was uns erwartet. Zum einen räumt Plasberg Fehler ein und Martens zeigt sich verkatert, aber uneinsichtig. Das kann bei Spiegel Online nachgelesen werden. Zum anderen haben die Hamburger gewohnt knallhart recherchiert. Mit neuen Fakten ist daher eher nicht zu rechnen:
Das hatten wir schon am Donnerstag (bei Update 16) wesentlich genauer.
Die ARD macht bislang keine Anstalten, auf die bevorstehenden Ausstrahlungen der Wundersalben-Werbesendung am 30.10. und 4.11. zu verzichten, warnt aber in ihrem Videotext-Angebot seit Samstag vor Regividerm.
Update 42, 26.10.: Noch einmal Stefan Niggemeier: Das Wundersalbenmassaker
Projekt "Hippokrates" bringt IQWiG-Leiter zu Fall
Die Ablösung des Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Peter Sawicki, war eine lang geplante Aktion. Das legt der Journalist Markus Grill in einem Artikel in der aktuellen Ausgabe des Spiegels nahe. Darin wird unter dem Titel “Operation Hippokrates” geschildert wird, wie der “mächtigste Pharmakritiker des Landes entsorgt” worden ist.
Demnach beginnt dies staatstragend Anfang 2009 mit dem Versuch des US-Pharmaverbandes PhRMA bei der US-Regierung, Deutschland auf die Liste der Schurkenstaaten zu setzen, weil das IQWiG innovative pharmazeutische Produkte verhindere, und endet provinziell im Dezember 2010 mit fragwürdigen Vorwürfen wegen Spesenbetrug. Dazwischen bekannte Informationen, wie die Konferenz der Landeswirtschaftsminister im Juni 2009, die im IQWiG eine Bedrohung der “Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere der heimischen pharmazeutischen Unternehmen” sah, und neue Details, etwa dass schon zwei Tage nach Röslers Ernennung am 30. Oktober die Spesenbeschuldigungslawine rollt – mit Erfolg:
Das Angebot der Prüfgesellschaft BDO fungierte unter der Bezeichnung “Projekt Hippokrates” und wurde nicht öffentlich ausgeschrieben, obwohl die beim IQWiG gültige Verfahrensordnung vorsieht, dass alle Aufträge ab einem Nettowert von 12.500 Euro ausgeschrieben werden müssen.
Besonders im Focus des Spiegel-Artikels: Das Gesundheitskleeblatt, das Gesundheitsminister Philipp Rösler (Dr. med.), die beiden parlamentarischen Staatssekretäre Daniel Bahr (MBA) und Annette Widmann-Mauz (ohne Abschluss) und der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn (B.A.) bilden. Während die drei Herren aus ihrer Ablehnung gegen das IQWiG und dessen Leiter keinen Hehl gemacht haben, schweigt die CDU-Staatssekretärin im Gesundheitsministerium.
Wie immer man zu dem IQWiG oder seinem Noch-Leiter stehen mag. Seine Ablösung war reine Machtpolitik, ohne Rücksicht auf das in den vergangenen fünf Jahren erarbeitete internationale Ansehen des Instituts. Der Nachfolger wird gegen das Vorurteil zu kämpfen haben, eine Marionette der Gesundheitspolitik zu sein. Wenn sich denn ein respektabler Kandidat findet, der diesen aussichtslosen Kampf überhaupt aufnehmen will.
Krankenversicherung für "Joe, the plumber"
Der Durchschittsdeutsche wird Otto Normalverbraucher genannt. Otto ist mittlerweile nach meinem Eindruck von “Max Mustermann” abgelöst worden. In den USA war dies bisher “John Doe”. Die TV-Debatte zwischen McCain und Obama in der letzten Nacht hat einen neuen Star geboren: “Joe, the Plumber” (“Sepp, der Klempner”) hat von John das Amt übernommen und musste in mehr als 20 Erwähnungen von McCain als Beispiel dafür herhalten, welche Gemeinheiten Obamas Wahlprogramm für die hart arbeitenden Amerikaner bereithält. Darunter auch bei der Krankenversicherung.
Dabei ist “Joe, the Plumber” eine Art Künstlername. Joe Wuzelbacher, ein Handwerker aus Ohio, hatte bei der Wahlkampftour Barak Obama angesprochen und über seinen Traum erzählt, das Geschäft seines Arbeitgebers zu kaufen. Ganz der potentielle Existenzgründer äusserte Wurzelberger seine Angst vor Obamas Steuererhöhungen für Wohlhabende und kündigte an, sein Vorhaben abzublasen. So ist Joe Wurzelbacher innerhalb einer Stunde zu einer Berühmtheit aufgestiegen, obwohl er weder ein lizensierter Klempner ist, noch sein Einkommen nicht im Entferntesten an die Sonderabgabe für Reiche heranreicht, wie die Washington Post feststellt.