Es wäre ja zu schön, um wahr zu sein. Mit Spannung haben viele die Ergebnisse der „iPrex-Studie“, der ersten Phase-3-Studie zur Prä-Expositions-Prophylaxe (PREP) erwartet. Eine PREP soll es ermöglichen, sich durch die regelmäßige Einnahme eines HIV-Medikaments vor einer HIV-Infektion zu schützen.
Die jetzt veröffentlichten ersten Ergebnisse der „iPrex-Studie“ (aidshilfe.de berichtete) zeigen, dass die Idee grundsätzlich funktionieren kann – jedoch schlechter als erwartet: Durch die Einnahme von Truvada® (Tenofovir und Emtricitabin in einer Tablette) können Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), ihr HIV-Ansteckungsrisiko um knapp 44 Prozent senken, so iPrex. Das klingt wenig spektakulär, denkt man an die Schutzwirkung von Kondomen, die in der Gruppe der MSM bei etwa 95 Prozent liegt.
Warum nahmen so viele ihre Medikamente nicht richtig ein?
Bei genauerem Hinsehen zeigt die Studie jedoch auch, dass der Effekt einer PREP ganz wesentlich von der regelmäßigen Einnahme abhängt. Bei den Studienteilnehmern, die mehr als 90 Prozent ihrer Tabletten eingenommen hatten, lag die Schutzwirkung dann auch sehr viel höher, bei 72,8 Prozent. Da stellt sich natürlich die Frage, warum so viele Studienteilnehmer ihre Medikamente nicht regelmäßig einnahmen. Das Studiensetting war vorbildlich. Alle Teilnehmer wurden monatlich zu Safer Sex beraten, erhielten Kondome und wurden über die Notwendigkeit einer regelmäßigen Einnahme des Studienmedikaments informiert.
Zwei Erklärungsmodelle drängen sich auf. Zum einen bedarf es einer konstant hohen Motivation, ein hoch wirksames Medikament regelmäßig ausschließlich zur Prophylaxe einzunehmen. Möglicherweise haben Studienteilnehmer auch mal für ein paar Tage auf die Tabletteneinnahme verzichtet, wenn zum Beispiel gar kein Risikokontakt vorlag. Dies entspricht zwar nicht dem Design der Studie, aber ist menschlich nachvollziehbar. Viele Ärzte kennen das Phänomen bei der Verschreibung von Antibiotika: Auch wenn Patienten nachdrücklich den Hinweis erhalten, ihr Medikament zur Vermeidung von Resistenzen noch einige Tage nach Gesundung einzunehmen, beenden viele Patienten die Tabletteneinnahme selbstständig, sobald sie sich nicht mehr krank fühlen.
Ungeklärt bleibt auch die Frage, ob das bei iPrex verwendete Medikament Truvada® von Studienteilnehmern – trotz des Risikos, nur ein Placebo, also ein unwirksames Scheinmedikament bekommen zu haben – möglicherweise an bedürftige Freunde oder Bekannte weitergereicht wurde. In einigen der an der Studie beteiligten Länder wie Peru oder Ecuador sind wirksame und neue HIV-Medikamente trotz staatlicher Programme nicht für jeden erhältlich.
Ist die PREP ethisch vertretbar?
Hier zeigt sich das Problem der PREP-Strategie. Für Länder mit hohen Infektionsraten und niedriger Kondomnutzung empfehlen einige Experten die PREP als Strategie der öffentlichen Gesundheitsvorsorge, zum Beispiel für junge Frauen. Obgleich ihre Schutzwirkung niedriger ist als die des Kondomgebrauchs, könnte die PREP die Verbreitung von HIV zumindest eindämmen. Doch sind solche Gedankenspiele ethisch vertretbar? Schon heute bietet die Staatengemeinschaft nicht allen HIV-Infizierten eine angemessene Behandlung an. Noch immer gibt es Millionen von HIV-Positiven, die eine Therapie bräuchten, aber keine antiretroviralen Medikamente erhalten. Wenn nun aber Geld für die PREP bereitgestellt würde, hieße das, dass die Gesunden plötzlich Medikamente erhalten, die man den Kranken vorenthält.
Für unsere entwickelten Länder stellt sich eine andere Frage. Wer ist ernsthaft bereit, über Jahre und Jahrzehnte ein Medikament einzunehmen, mögliche Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen, dieses vermutlich auch noch selbst zu bezahlen und dann keinen wirklich zuverlässigen Schutz zu erhalten? Für MSM in reicheren Ländern erscheint da eher die „intermittierende PREP“ von Interesse, das heißt die Einnahme „bei Bedarf“, also zum Beispiel vor einem geplanten Sexdate. Ob mit einer solchen „iPREP“ aber ein Medikamentenspiegel im Blut erreicht werden kann, der eine HIV-Infektion verhindert, weiß derzeit jedoch niemand.
Bleiben wir skeptisch, aber bleiben wir gespannt!
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Der aktuelle HIVReport informiert über die Ergebnisse der iprex-Studie und liefert eine Übersicht über laufende PrEP-Studien, von der Monatsspritze bis zur „intermittierenden PREP“. Erstmalig wird eine PREP-Strategie auch auf ihren Public-Health-Wert, durch die Berechung der „Number needed to treat“, hin analysiert.