Christkinder

Die Jungs vom Rettungsdienst haben sich verabschiedet und rollen ihre leere Trage in Richtung Ausgang. Schwester Gaby schaut ihnen eine halbe Sekunde lang hinterher, dann zuckt sie seufzend mit den Schultern, füllt noch ein paar Formulare aus und drückt mir das ganze Bündel dann in die Hand.
„Herzlichen Glückwunsch!“ sagt sie.
„Glückwunsch? Wozu?“
„Betrachte es als eine Art Weihnachtsgeschenk!“
„Geschenk?“
„Dein erstes Weihnachtsgeschenk in dieser Saison. Oder hast Du schon etwas bekommen?“
Ich schüttele den Kopf.
„Dann geh’ mal rasch in Kabine zwei. Da liegt Dein Christikind!“
„Was ist denn ein Christkind?“ fragt Sarah.
Gaby stemmt beide Hände in die Hüften und schaut Sarah ein bißchen von oben herab an.
„Christkinder,“ sagt sie feierlich, „das sind die Eier, die wir in der Woche vor Weihnachten regelmäßig untergeschoben bekommen!“
„Eier?“
„Faule Eier!“ fügt Marvin hinzu.
„Pflegepatienten,“ sage ich leise, „meistens dement und multimorbid…“
„…und in der Woche vor Weihnachten geht es denen genauso gut und genauso schlecht wie an jedem anderen Tag.“ fährt Gaby fort, „aber die Familie ist der Ansicht, dass sie genau jetzt dringend ins Krankenhaus müssen.“
„Eigentlich eine traurige Sache…“
„Ziemlich traurig. Aber so ist das. Gehört nun einmal zu unserem Job.“
Ich nehme die Patientenakte und mache mich seufzend auf den Weg in Kabine zwo. Da liegt ein Bündel aus Haut und Knochen und starrt mit leerem Blick an die Decke.“
„Guten Tag!“ sage ich lauter als notwendig und fasse an das Handgelenk der Patientin. Ob sie mich gehört hat, weiß ich nicht.

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