Siegfried Spernau, seines Zeichens Hausarzt in Neu-Isenburg, wurde von der KV Hessen zu einer Zahlung von 110.000 Euro verdonnert. Grund: Zu viele Patienten behandelt! Soweit so gut, doch seine Patienten konnten dies gar nicht begreifen, und gingen daher für ihren Hausarzt im Oktober 2010 auf die Straße (siehe Patienten Demo). Gegen den Bescheid von der KV hat Spernau Widerspruch eingelegt. Doch nicht nur das, er hinterfragt nun auch das ganze Vertragsarztsystem (Ärztezeitung 3.12.10).
Seine These: Als Arzt ist man Scheinselbständiger … er lässt dies nun offziell klären. Klingt ziemlich logisch, denn als selbstständig kann man einen Kassenarzt wohl kaum bezeichnen, wird er doch von Regressen, Regelleistungsvolumina, Arbeitszeitbegrenzung, Budgetierung von Medikamenten, Heilmitteln usw. eingeengt. “Komme die Rentenversicherung zu dem Ergebnis, dass er als Vertragsarzt scheinselbstständig sei, müssten die Kassen für ihn rund 30 Jahre Rentenversicherungsbeiträge nachzahlen” …
Was für eine Vision! Bin sehr gespannt!
Bezüglich der Reglementierungen mal einige Beispiele aus der hausärztlichen Praxis:
- Zuviel Physiotherapierezepte ausgestellt: Regress, sprich Zahlen von astronomischen Summen aus der eigenen Tasche. Problem: wird oft erst viele Jahre später eingefordert. Sprich, für die Folgejahre ist man doppelt und dreifach der Gelackmeierte …
- Arbeiten bis zum Umfallen, wie ein echter Selbstständiger, klar, bloß ohne Mehrbezahlung und mit rechtlichen Konsequenzen. Sprich, wer zuviel arbeitet bekommt nicht nur kein Geld dafür, er riskiert auch noch eine Regresszahlung, wie bei Spernau geschehen. Klingt logisch! Ist es auch, nur eben nicht für uns … usw.
Ich empfehle in diesem Zusammenhang einfach mal den Blog Der andere Hausarzt, hier werden gesundheitspolitische Zusammenhänge und praxisnahe Medizin sehr lesenswert rübergebracht.
In dieser schwierigen gesundheitspolitischen Zeit ist es dann sehr sympathisch, wenn einer mal Klartext redet. AOK-Chef Dr.Reichelt möchte die Anzahl der Arztpraxen in überversorgten Gebieten verringen, beispielsweise durch den Aufkauf und das Schließen derselbigen (Ärzteblatt 6.12.10). “Es gibt keinen Ärztemangel in Deutschland, ganz im Gegenteil wir haben ein Problem mit Ärzteüberversorgung.”
Das kann ich so unterschreiben, vor allem aber bin ich dankbar, dass das endlich mal jemand ausspricht. Daher bitte ich darum, dass endlich auch in allen anderen Bereichen künftig mit offenen Karten gespielt wird. So also bitte nicht mehr auf Anfragen von Patienten: “Selbstverständlich hat jeder Versicherte einen Anspruch auf jegliche Behandlung und alle Medikamente”, sondern: “Eben nicht, sondern in begrenztem Maße”, was ja auch sinnvoll sein kann. Und nicht den ganzen Unsinn immer auf die Ärzte abwälzen …
Das wäre ein erster Schritt in Richtung “faire Medizin”. Ich träume …
Artikel von: Monsterdoc