Forscher der University of California, San Francisco (UCSF), haben ein Medikament entdeckt, das gewisse Schlüsselelemente des Immunsystems positiv beeinflusst. Diese Schlüsselelemente sind vital für das Immunsystem und führen im Alter zu einem graduellen Abfall der Immunkompetenz.
Das Forscherteam entdeckte, dass extrem niedrige Dosen des Präparates Lenalidomid (Revlimid®) die Eiweissproduktion der immunkompetenten Zellen anregt, was zu einer Verbesserung der Zytokinaufteilung und Produktion führt. Zytokine sind Eiweissstoffe, die bei der Abwehr von Viren oder Bakterien zum Einsatz kommen. Zytokine sind auch für die Entzündungserscheinungen im Rahmen einer Infektion verantwortlich.
Die Studie, auf der diese Erkenntnisse beruhen, wurde mit einer vergleichsweise kleinen Anzahl von lediglich 13 Patienten durchgeführt und hatte zum Ziel, den Dosierungsrahmen einer solchen Therapie festzulegen. Die Daten werden im Januar in der Fachzeitschrift Clinical Immunology erscheinen.
Die Identifikation einer Substanz, die in der Lage ist, den immunologischen Rückgang im Alter (sogenannte Immunseneszenz) zu bremsen oder sogar zu neutralisieren, ist das Ergebnis jahrelanger Forschung unter Dr. Edward J Goetzl am UCSF und National Institute on Aging. Themenschwerpunkt seiner Arbeit über Zytokine ist die Frage nach dem Wechsel der Zytokinniveaus mit fortschreitendem Alter, deren geschlechterspezifische Unterschiede und Einfluss auf die Gesundheit der Betroffenen.
„Es redet heutzutage eigentlich niemand mehr von Langlebigkeit oder Lebensverlängerung. Was vielmehr interessiert, ist ein gesundes Leben,“ sagte Goetzl, Direktor der UCSF Allergy and Immunology Research, einer spezialisierten Abteilung für die Entwicklung neuer Diagnostika und Therapeutika im allergologischen und immunologischen Bereich.
„Wenn die Zytokinlevel mit 50 dieselben sind wie mit 25 ist die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten vermutlich gering,“ meinte Goetzl. „Wenn sie aber runtergehen, müssen wir etwas dagegen unternehmen. Könnten Sie eine niedrig dosierte Tablette ohne Nebenwirkungen nehmen, würden Sie das nicht auch machen?“
Im Jahre 2009 hat Goetzl eine Gruppe von 50 Alten im Rahmen einer Studie des National Institute on Aging auf ihre Zytokin-Level für Interleukin (IL)-2, IFN-gamma und IL-17 untersucht. Er fand, dass wirklich gesunde 70 bis 80 jährige Frauen den gleichen Zytokin-Spiegel wie gesunde 20-jährige hatten.
Auf der anderen Seite gab es aber ältere Männer und Frauen, deren erhöhtes Entzündungsniveau und verminderte Immunabwehr von einemniedrigeren Spiegel an IL-2 und IFN-gamma begleitet war. Dieser Abfall, fanden die Forscher, musste schon im letzten Abschnitt des mittleren Alters begonnen haben.
Ausgehend von dieser Erkenntnis begannen sie die Suche nach einer Substanz, mit der sich die IL-2 und IFN-gamma Spiegel würden anheben lassen, ohne dass der IL-17 Spiegel wesentlich beeinflusst würde. IL-2 und IFN-gamma sind protektive immunmodulierende Substanzen.
„Aufgrund unserer Studien hatten wir ein Profil bei Menschen, mit dem wir die Suche nach einer geeigneten Wirksubstanz beginnen konnten,“ erklärte Goetzl. „Unsere Aufgabe bestand nicht nur darin, etwas zu finden, mit dem sich der Zytokin-Spiegel in die gewünschte Richtung verändern liess, sondern auch, dass das möglichst ohne Nebenwirkungen möglich sein sollte.“
Das Forscherteam konzentrierte sich auf drei verschiedenen Stoffklassen, unter denen sich auch Lenalidomid, ein Derivat des altbekannten Thalidomid befand. Thalidomid wurde gegen Ende der 50er Jahre als Beruhigungsmittel eingeführt und 1961 in den USA vom Markt genommen, nachdem es bei den Kindern der Mütter, die das Mittel während der Schwangerschaft gegen Übelkeit eingenommen hatten, zu schwersten Geburtsfehlern gekommen war.
In den letzten Jahren wurde das Derivat Lenalidomid immer mehr als Ko-Therapeutikum bei gewissen Krebsarten, insbesondere dem Multiplen Myelom und Nierentumoren eingesetzt. Beide Krebsarten gelten als abhängig vom IL-2 Spiegel, just dem Spiegel, dem Goetzl und seine Mitarbeiter eine wichtige Rolle in der Immunseneszenz zuschreiben.
In ihrer neusten Untersuchung testeten die Forscher die Substanz an gesunden Senioren. Sie fanden, dass bereits kleinste Mengen Lenalidomid die IL-2 Produktion optimal anzukurbeln vermochten. Bei den jungen Studienteilnehmern (21-40 Jahre alt) konnte der IL-2 Spiegel ungefähr um das siebenfache angehoben werden. Bei den Freiwilligen über 65 Jahren war der Anstieg sogar noch dramatischer und erreichte im Durschnitt Werte um das 120-fache der Ausgangswerte und somit jugendliche Niveaus. Bei der dafür notwendigen Dosis steigert Lenalidomid auch die Produktion von IFN-gamma um das bis zu 6-fache, während die Produktion von IL-17 unbeeinflusst bleibt.
Das Team um Dr. Goetzl fand zudem, dass Lenalidomid zusätzliche nutzbringende Eigenschaften bei den älteren Studienteilnehmern hatte. So verbesserte es die Wanderung der T-Zellen durch den Körper, stärkte deren Erkenntnisfähigkeit für krankmachende Keime und kranke Zellen und verlängerte die Lebensdauer der Zellen.
Für das nächste Jahr plant Goetzl zusammen mit seinen Mitarbeitern eine grössere Testserie um den Nutzen von Lenalidomid besser beurteilen zu können.