Es war eine stürmische Winternacht, der Schnee stob in dichten Flocken und der Wind heulte um das Haus. Marvin und ich saßen im Dienstzimmer der Notaufnahme, tranken Kaffee, knabberten Weihnachtskekse und zappten gelangweilt durchs Fernsehprogramm.
„Nichts Gescheites!“ sage ich.
„Ich hätte eine DVD dabei!“ meint Marvin.
„Zeig mal!“
Marvin schiebt die Hülle über den Tisch. Die Hülle ist ziemlich schwarz und blutig rot.
„Was is’n das?“
„’n Zombie-Film.“
Er schaut mich fragend an. Ich zucke mit den Schultern. Marvin legt die Scheibe ein. Eigentlich mag ich so’n Zeug ja nicht, aber der Anfang ist ganz harmlos: es geht um eine paradiesische Tropeninsel mit Palmen und weißen Stränden und hinreißend schönen Bikini-Mädchen, die sich fotogen in der Brandung räkeln. In der nächsten Szene sieht man dann eine geheimnisvolle Sekte, die irgendwo mitten im Dschungel okkulte Voodoo-Rituale praktiziert, oder sowas ähnliches, und dann geht mein Piepser.
Ich muss oben auf Station eine Braunüle legen und eine verwirrte Oma auf der Chirurgie beruhigen: zwanzig Tropfen Haldol, dann schläft sie tief und fest und selig.
Wieder unten in der Notaufnahme angekommen, haben die Sanis gerade einen älteren Patienten mit exazerbierter COPD gebracht: Blut abnehmen, untersuchen, Infusion anhängen, Antibiotikum und Kortison, EKG, Blutgase und Röntgen-Thorax, dann kann er rauf auf Station. Ich nehme mir einen Kaffee und setze mich zu Marvin ins Dienstzimmer.
Die Bikini-Schönheit von vorhin wird gerade von irgendwelchen düsteren Gestalten gejagt.
Marvin starrt gebannt auf den Bildschirm.
„Und?“
„Hmmm.“
Mehr Konversation ist momentan nicht möglich.
Noch ahnten wir nicht, dass wir uns Minuten später selbst im Plot eines Horrorfilmes wiederwinden würden…