Kontrolle und Vertrauen

Es ist früher Nachmittag, Leistungstief, Zeit für eine Koffeininfusion. Ich schleppe mich die Treppe hoch auf Station, greife mir in der Küche einen Becher Krankenhauskaffeeplörre und verziehe mich ins Arztzimmer, unterwegs noch schnell einen Griff ins Postfach, da liegt ein dicker Stapel Befunde. Also unter anderem auch die Ergebnisse der heute angeordneten Bluttests. Gelangweilt und gähnend blättere ich sie durch…. halt… was ist das? Der Herr Wagner aus Zimmer acht hat einen Hb von sieben? Wundern tut mich das nicht, immerhin hat der Ärmste ein fortgeschrittenes Bronchialkarzinom. Trotzdem sollten wir etwas für ihn tun. Ich greife zum Telefonhörer.
„Können wir für ihn bitte zwei Blutkonserven kreuzen?“
„Alles klar, Chef!“ sagt Schwester Anna.
Ich blättere fertig, trinke noch einen Schluck Kaffeeplörre, dann stehe ich auf um das Blut für die Blutgruppenbestimmung abzunehmen. Auf dem Flur kommt mir Schwester Anna entgegen.
„Schon passiert, Chef!“
„Äh, das sollte ich ja eigentlich selber machen…“
„Vertraust Du mir nicht, Chef?“
„Also…. eigentlich…. hmmm.“
„Dann unterschreib doch einfach!“
Mit meiner Unterschrift bestätige ich, dass ich mich persönlich von der Identität des Patienten überzeugt habe. Das ist Arztsache, so schreibt es das Gesetz vor. Nun ist Anna mit Sicherheit eine der gewissenhaftesten Schwestern die wir haben und es gibt keinen Grund, ihr nicht zu vertrauen. Und ich bin mehr als überzeugt davon, dass sie Herrn Wagner besser kennt als ich und ihn nicht verwechselt hat.
Als ich meinen Schnörkel unter das Formular setze, habe ich trotzdem ein flaues Gefühl.

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