kreative Aktentherapie zwischen den Jahren

Richtig gemütlich ist es heute auf Station. Derzeit sind immer noch gerade einmal die Hälfte unserer Betten belegt, und zwar überwiegend mit harmlosen Christkindern. Die betüttelt man ein wenig, gibt ihnen hier mal ein wenig Lasix, mal dort ein wenig Krankengymnastik und vor allem viel, viel Zuneigung. Denn heute können wir uns ja Zeit lassen mit der Visite. So macht das Arbeiten richtig Spaß. Warum könnte es bloß nicht immer so sein?
Am Nachmittag wartet dann der große Aktenstapel auf mich. Ganz böse grinst der mich an. Ein knapper Vertikalmeter geballtes Papier. Krankenakten von in der Adventszeit entlassenen Patienten, die jetzt diktiert werden müssen… eigentlich habe ich ja Zeit… also keine Ausflüchte und ran an den Speck! Ich hole mir noch einen frischen Kaffee und eine dicke Scheibe von Schwester Paulas selbstgebackenem Christstollen und dann stelle ich mich dem Feind.
Ich schlage die Akte auf, blättere und blättere…. kratze mich am Kopf… spiele mit dem Diktiergerät herum… tja… warum hat Frau Schulte eigentlich kein Antibiotikum bekommen, obwohl sie zwischendurch drei Tage lang Fieber hatte und im Labor erhöhte Entzündungszeichen? Und Frau Meiers Langzeit-EKG, das war ganz und gar nicht „weitgehend unauffällig“, wie ich im vorläufigen Brief vollmundig behauptet habe, im Gegenteil, fast durchgehend Vorhofflimmern, die bräuchte eigentlich Marcumar…. Und Frau Müller, die war fast vier Wochen hier, und in diesen vier Wochen haben wir eigentlich kaum etwas gemacht, haben bloß darauf gewartet, dass sie einen Platz im Pflegeheim ihrer Wahl bekam, dachdem es zuvor weder mit Reha noch mit Kurzzeitpflege geklappt hatte…. kurz und gut: jetzt heisst es kreativ sein.
Ich hole mir ein zweites Stück Christstollen und noch einen Kaffee und dann lege ich los.

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