Wer dauernd ans Essen denkt isst weniger

Gemäss einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Science publiziert wurde, essen Leute, die sich vorstellen, eine bestimmte Speise zu essen, weniger davon und nicht mehr. Diese revolutionäre Erkenntnis räumt mit der alten Vorstellung auf, dass man mehr isst, wenn man ans Essen denkt.

Basierend auf Studien, die zeigen, dass Wahrnehmung und mentale Vorstellung ähnliche neuronale Antworten erzeugen und ähnliche Emotionen und Tatabfolgen hervorrufen, haben Forscher der Carnegie Mellon University den Effekt von wiederholten Vorstellungen vom Verzehr einer bestimmten Speise auf den tatsächlichen Konsum dieser Speise untersucht. Überraschenderweise fanden sie, dass die blosse Vorstellung vom Verzehr der Speise den tatsächlichen Konsum drosselt und nicht steigert.

„Unsere Resultate zeigen ganz klar, dass es eine fundamental falsche Strategie ist, Gedanken ans Essen zu unterdrücken um den Appetit zu bremsen,“ sagte der Hauptautor der Studie, Carey Morewedge. „Ganz im Gegenteil, Leute, die sich wiederholt vorstellten einen kleinen Bissen einer bestimmten Speise – wie z.B. ein M&M oder ein Stück Käse – zu verzehren, konsumieren in der Folge tatsächlich weniger von dieser Speise, als Leute, die sich das nur hin und wieder vorstellten, oder solche, die eine komplett andere geistige Tätigkeit durchführten. Wir glauben, dass unsere Befunde dazu beitragen werden, in der Zukunft effizientere Strategien zur Vermeidung des Konsums ungesunder Dinge, wie ungesundes Essen, Rauchen oder Drogen zu entwickeln.“

Für die Studie wurden fünf verschiedene Experimente durchgeführt. Für das erste Experiment mussten sich die Teilnehmer vorstellen, 33 repetitive Dinge durchzuführen. Die Kontrollgruppe stellte sich vor, 33 Münzen in eine Waschmaschine einzuwerfen (eine Tätigkeit vergleichbar mit dem Essen von M&M’s). Die erste Testgruppe musste sich vorstellen 30 Münzen in eine Waschmaschine einzuwerfen und danach drei M&M’s zu essen, während es bei der zweiten Testgruppe drei Münzen  und 30 M&M’s waren. Im Anschluss daran durften sich alle Teilnehmer nach Lust und Laune aus einer Schale mit M&M’s bedienen. Die Menge der gegessenen M&M’s wurde registriert. Es stellte sich heraus, dass diejenigen, die sich zuvor vorgestellt hatten, 30 M&M’s zu essen, tatsächlich signifikant weniger davon assen als die Teilnehmer der beiden anderen Gruppen.

Um wirklich sicherzustellen, dass die Vorstellung vom Konsum der M&M’s das Essverhalten beeinflusst hatte und nicht die Zusatztätigkeit, veränderten die Forscher die entsprechenden Parameter im zweiten Experiment. Wieder zeigte sich, dass die Teilnehmer, die sich vorgestellt hatten, 30 M&M’s zu essen, im Anschluss weniger davon assen, als die Teilnehmer der andern beiden Gruppen.

Die letzten drei Experimente zeigten, dass die Reduktion des tatsächlichen Konsums im Anschluss an den vorgestellten Konsum aufgrund von Gewöhnungseffekten – eine langsame Verminderung der Motivation mehr vom gleichen Nahrungsmittel zu konsumieren – und weniger aufgrund anderer psychologischer Prozesse wie Priming oder einer Veränderung in der Wahrnehmung des Geschmacks zustande kam. Die Experimente zeigten auch, dass ausschliesslich die Vorstellung vom Konsum eines spezifischen Nahrungsmittels den aktuellen Konsum des betreffenden Nahrungsmittels zu reduzieren vermag. Lediglich hin und wieder an das Nahrungsmittel zu denken oder sich den Konsum eines alternativen Nahrungsmittels vorzustellen hatte keinerlei Einfluss auf den Konsum des Testnahrungsmittels.

„Gewöhnung ist einer der fundamentalen Steuerungsprozesse beim Konsum eines spezifischen Nahrungsmittels. Sie bestimmt wann wir damit aufhören und wann wir zu einem anderen Nahrungsmittel wechseln,“ meinte Joachim Vosgerau, einer der Koautoren. „Unsere Resultate zeigen, dass der Gewöhnungseffekt nicht nur von unseren Sinnen wie sehen, riechen, hören und fühlen beeinflusst wird sondern auch davon, wie der Konsum mental wahrgenommen wird. Bis zu einem gewissen Grad ist die pure Vorstellung einer Erfahrung mit der aktuellen Erfahrung gleichzusetzen. Der Unterschied zwischen der Vorstellung einer Erfahrung und der eigentlichen Erfahrung selber ist möglicherweise kleiner als bislang angenommen.“

Dass die mentale Vorstellung einen Gewöhnungseffekt auch dann hervorrufen kann, wenn die sensorische Stimulation nicht vorhanden ist und dass die wiederholte Vorstellung einer Tätigkeit das Verhalten beeinflussen kann, sind weitere Erkenntnisse der Studie.

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