Wenn Kinder geboren werden, sollten die Eltern anwesend sein.
Nun ja … Im reellen Leben ist aus nachvollziehbaren Gründen zumindest immer die Mutter dabei.
Bei uns Via medicis ist das leider nicht der Fall.
Wenn unser Baby in ein Schwangerschaftsphase eintritt, in dem normalerweise die Senkwehen eintreten, müssen wir etwas ganz Seltsames tun: Wir schicken unsere Tochter (es ist immer ein Mädchen, und sie heißt immer Via medici – wobei wir sie der Einfachheit halber durchnummerieren) in ihrem ungeborenen Zustand in eine Geburtsklinik nahe Magdeburg namens „Grafisches Centrum“. Dort wird sie dann – ganz ohne Mama und Papa – von kundigen aber fremden Händen vieltausendfach geboren, in Folien verschweißt und in alle Himmelsrichtungen verschickt …
Wer selbst Kinder hat ahnt: Für werdende Eltern ist das keine angenehme Prozedur.
Dieser Tage ist es wieder soweit: Wir sitzen hier auf Kohlen – und warten darauf, dass endlich unsere jüngste Tochter aus dem fernen Sachsen-Anhalt zu uns in die Redaktion flattert. Wir möchten sie bestaunen und beschnüffeln, ihre zarte Babyhaut streicheln und sie umarmen … Schließlich haben wir hier Wochen und Monate vor Weihnachten geschuftet, gerackert und unser Herzblut dafür eingesetzt, dass sie gesund, schön und geistreich auf die Welt kommt.
Und nun – just vor wenigen Minuten – hat uns zumindest schon mal die freudige Botschaft erreicht. Das Kind ist geboren! Eben hat mich einer unserer Autoren angerufen, der direkt von unserer Druckerei 100 Duplikate unserer Tochter zugeschickt bekommen hat, weil er sie auf einem Kongress braucht.
Laut seiner Aussage habe er keinen „groben Fehler“ entdeckt. Wie beruhigend …
Angenommen, Ihr wartet als ungeduldiger Vater, der leider kein Blut sehen kann, nach alter (Gott sei Dank überkommener) Sitte ungeduldig vor dem Kreißsaal – und die Hebamme tritt heraus und sagt: „Sie haben eine Tochter! Grobe Fehler konnte ich keine entdecken …“
Was würdet Ihr da empfinden??
Aber auch das werden wir durchstehen: Irgendwann Anfang der kommenden Woche wird es sein wie immer: Die neue Via medici wird auf unserem Schreibtisch landen – drei Tage bevor sie in den Briefkästen der Abonnenten klappert – wir werden sie freudig in die Hand nehmen, die U1-Untersuchung durchnehmen, sie im Kreis der Familie herumreichen … und dann?
Dann werden wir sie weglegen.
Sind wir deswegen schlechte Eltern. Nein! Unsere ältere Tochter muss jetzt auf eigenen Beinen stehen. Wir denken noch mit Wehmut an sie. Doch jetzt wird sie ein eigenes Leben haben. Ihre Leser wird sie in die Welten führen, die uns in den Wochen und Monaten vor Weihnachten beschäftigt haben – und die wir jetzt genau in dem Moment, in dem unsere Leser darin verschwinden, endgültig verlassen müssen … Für uns vom Redaktions-Team ist das Erscheinen einer Via medici deshalb immer auch Abschied: Wir betrachten noch ein letztes Mal unser Baby, drücken eine Träne weg – und … kümmern uns dann voll Enthusiasmus um ihre noch ungeborene jüngere Schwester …
Viel Spaß mit der neuen Via medici wünscht, Euer
Dieter