Als ich von der Besprechung zurückkomme, begebe ich mich schnurstracks auf Zimmer sechzehn. Dort liegen zwei etwas fragil aussehende ältere Damen.
„Guten Tag, wer von Ihnen ist Frau Höbelmann?“
Keine fühlt sich angesprochen.
Ich wende mich an die Dame in dem mir am nächsten stehenden Bett.
„Frau Höbelmann?“
Keine Antwort. Die Gestalt vor mir starrt ausdruckslos ins Leere.
Dann muss es die Andere sein.
„Frau Höbelmann?“
„Nee, die is nich mehr hier!“
„Warum?“
Die Patientin deutet auf das leere Bett nebenan. Das Bett ist benutzt, aber auf dem Nachttischchen fehlen die üblichen Krimskramssachen.
„Die ist soeben gegangen!“
„Wohin?“
„Nach Hause, nehme ich an…“
„Und wann?“
„Jetzt gerade… vor vielleicht zwei Minuten…“
Ohne ein weiteres Wort stürme ich in Richtung Pflegestützpunkt. Vielleicht erwische ich die Patientin ja noch irgendwo. Aber am Stützpunkt ist nur noch Schwester Paula. Und die Krankenakte von Frau Höbelmann.
„Sie sollen den Brief gleich zum Hausarzt faxen!“ sagt Schwester Paula, „die Angehörigen werden so gegen neun Uhr dort sein!“
Tief einatmen, nicht aufregen, wortlos nehme ich die Akte und einen Becher Kaffeeplörre und verziehe mich ins Arztzimmer. Höbelmann, Alwina, Jahrgang fünfundzwanzig.
Zwar habe ich die Dame nie gesezen, aber in der Besprechung habe ich immerhin den Aufnahmegrund erfahren: Synkopenabklärung.
Aus der Akte erfahre ich, dass ihr angablich schwindelig und schwarz vor Augen geworden war. Oberarzt Heimbach hat dann übers Wochenende ein paar Untersuchungen gemacht und entschieden, dass sie nach Hause darf, unter der Voraussetzung, dass das Langzeit-EKG in Ordnung ist. Das Langzeit-EKG-Gerät wurde gestern, am Sonntag abgenommen und die Daten sind mit Sicherheit noch nicht im Computer.
„…die Befunde stehen noch aus.“ diktiere ich. Jetzt noch die ellenlange Medikamentenliste hinzufügen und dann im Schreibbüro ganz lieb Bitte-Bitte machen auf dass mein zusammenfabuliertes Machwerk heute vormittag noch beim Hausarzt landet.