Jeder Rettungsdienstbereich hat sie, jeder Rettungsdienstler kennt sie und ihre Problematik. Die alten Bekannten, die Stammgäste, die immer wieder, ob volltrunken, mit Drogen vollgepumpt oder einfach nur so den Notruf wählen und den Rettungsdienst anfordern.
Meist kennt man sich dann schon gegenseitig, weiss, was anliegt und was zu tun ist. Ausser man trifft auf neue Mitarbeiter im Rettungsdienst…so geschehen in einer der letzten Dienste bei mir.
Gegen Abend wurden wir zu einem chirurgischen Notfall in eine „sozial schwache“ Wohngegend bestellt. In der Wohnung eingetroffen, trafen wir auch unseren Patienten. Er klagte nach einem Sturz über Schmerzen in den Beinen und dem Rücken. Als wir dann zur Wahl des Krankenhauses kamen, wollte er partout nicht in eines der nahe gelegenen Krankenhäuser gebracht werden, verweigerte sich uns komplett und wies uns aus der Wohnung. Weil mir und meinem Kollegen dies einfach so zu unsicher war, haben wir dann versucht mit dem Patienten wieder auf eine gemeinsame Gesprächsbasis zu kommen. Er liess sich darauf ein und willigte einen Transport ein. Als es dann an den Weg in den RTW ging, verweigerte er sich wieder komplett und beklagte dieses Mal die starken Schmerzen. Gemeinsam einigten wir uns dann einen Notarzt zur Analgesie zu bestellen, denn der Patient gab seine Schmerzen auf Stufe 8 der Schmerzskala an.
Ihr merkt schon, alleine bis hierhin war der Einsatz schon ein riesiges Hinundher. Das sollte es aber nicht gewesen sein….
Nach einigen Minuten traf auch der Notarzt ein. Der Notarzt und auch der NEF-Fahrer begrüßten den Patienten schon mit Vornamen. Wie wir aufgeklärt wurden, war der Patient einer der oben besagten Stammgäste. Er rief quasi wöchentlich den Rettungsdienst, mal volltrunken, mal einfach so, weil er sich einsam fühle, mal auf Krawall aus. In der Stadt würde er schon in beiden Krankenhäusern über Hausverbot verfügen und in einem Krankenhaus lief ein Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gegen ihn. Also ein ganz alter Bekannter.
Der Notarzt bot ihm also an, Schmerzmedikation zu spritzen. Dies verweigerte er wieder, sagte er habe keine Schmerzen mehr und es gehe im gut. Nach einigem wiedermaligen Hinundher sagte er, er brauche keine Hilfe. Der Doc willigte daraufhin ein und sagte, dass wir dann wieder fahren würden…aber Pustekuchen, beim Rausgehen fiel der Vorwurf, er würde uns alle wegen „Unterlassener Hilfeleistung“ anzeigen. Das war dem Doc dann zu viel. Also wieder Kommando retour und zurück zum Patienten.
Nach ellenlanger Diskussion, weil der Patient quasi minütlich zwischen Kooperation und Verweigerung wechselte, entschloss sich der Notarzt dann die Kavallerie anzufordern. Nach wiederum einigen Minuten, inzwischen waren wir schon eine Stunde in der Wohnung gebunden, trafen auch die Polizisten ein. Auch ihnen war der Herr bestens bekannt.
Als diese ihn überreden wollten, mit ins Krankenhaus zu kommen, verweigerte er sich auch ihnen. Ja, er wurde gerade regelrecht über-mobil und bugsierte beide nach draussen aus der Wohnung. Da die Polizei, nach Absprache mit dem Arzt keine Fremdgefährdung erkannte und der Patient auch anscheinend weitgehend gesund war, blieb uns allen nichts anderes übrig als unverrichteter Dinge wieder abzuziehen.
Fazit dieses Einsatzes: Fast zwei Stunden Diskussionen und Beleidigungen für nichts. Bravo!
Aber man muss ja seine Pappenheimer auch erst kennen lernen.