22. Januar 2011, 11:26 Uhr
Plastische Chirurgie
Warum Menschen ihren Körper tunen
“Es hieß also etwas tun, um diesem hinterlistigen Älterwerden entgegenzutreten, ihm ganz energisch den Befehl zu erteilen, erst in zehn Jahren wieder vorbeizukommen. Ich wollte mir einen neuen Kopf leisten. Ich habe entdeckt, dass ich mir selbst mein kostbarstes Gut bin und dass ich dieses unanständig teure Geschenk verdient habe: ein Lifting. Bei der Gelegenheit werde ich auch meine Nase ein bisschen korrigieren lassen.”
Die französische Schriftstellerin und Feministin Benoîte Groult schreibt offen über ihren Entschluss zu einer Schönheitsoperation. So wie sie wollen viele Menschen dem Altern mit Hilfe der modernen Medizin ein Schnippchen schlagen. Die Denkmalpflege am eigenen Aussehen ist zu einem Statussymbol avanciert.
Dass kosmetische Eingriffe längst nicht mehr nur in der Welt der Stars und Sternchen an der Tagesordnung sind, zeigt auch der Erfolg des Onlinespiels “Miss Bimbo”. Der französische Hersteller brachte 2008 erst eine französische, kurz darauf eine englischsprachige Version auf den Markt. Mittlerweile registrieren sich Millionen von Mädchen, viele davon aus Deutschland, im Internet, um ihre virtuelle “Miss Bimbo” (zu Deutsch etwa “Fräulein Tussi”) zu hegen und zu pflegen. Dabei gilt es ein Startkapital von 1000 Dollar gut zu investieren, damit das virtuelle Alter Ego Punkte sammelt und ins nächste Level gelangt. Man kann seiner Computerpuppe mit Start-IQ 70 zwar auch diverse Weiterbildungen kaufen – doch wesentlich schneller kommt voran, wer ihr coole Klamotten, Frisuren, Silikonimplantate oder ein Lifting schenkt. Ist das Budget aufgebraucht, muss das Konto mittels echter Euros per SMS aufgeladen werden.
Eltern und Pädagogen kritisieren, dass das Spiel Mädchen ein fatales Schönheitsideal vermittle. Der 23-jährige Erfinder der virtuellen “Miss Bimbo” hält sein Produkt hingegen für einen harmlosen Spaß. Zahlen belegen jedoch: Immer mehr und immer jüngere Frauen setzen den Wunsch nach Selbstoptimierung in die Tat um. Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) veröffentlichte im Jahresbericht 2010 steigende Patientenzahlen. Ein Drittel der weiblichen Kunden ist zwischen 18 und 30 Jahre alt. Der beliebteste Eingriff unter den jungen Frauen ist die Brustvergrößerung. Auch die Zahl der Männer, die ihr Äußeres mittels Skalpell frisieren lassen, steigt; bei ihnen belegt die Lidstraffung (Blepharoplastik) den ersten Platz.
In den USA stellt die Schönheitschirurgie mittlerweile die am schnellsten wachsende Disziplin der Medizin dar. Nach Angaben der American Society of Plastic Surgeons gaben die Amerikaner 2009 trotz Wirtschaftskrise rund zehn Milliarden Dollar für über zwölf Millionen kosmetische Eingriffe aus – ein Anstieg von rund 70 Prozent innerhalb der letzten neun Jahre. Manche Patienten sind erst 13 Jahre alt. Zwar operieren seriöse Chirurgen Patienten in der Regel erst, wenn sie volljährig sind, verboten sind derartige Eingriffe an Jugendlichen aber weder in den USA noch hier zu Lande – vorausgesetzt die Eltern geben ihr Einverständnis.
800.000 Eingriffe in Deutschland
Für Deutschland liegen keine genauen Zahlen vor. Nach Schätzungen der Stiftung Warentest wurden im Jahr 2008 jedoch rund 500.000 Schönheitsoperationen vorgenommen. Hinzu kommen rund 300.000 kleinere, so genannte Lunchtime-Eingriffe, etwa das Aufspritzen der Lippen oder die Faltenbehandlung mit Botulinumtoxin (Botox) oder Hyaluronsäure. In Berlin oder Hamburg erhält man bereits für 600 Euro eine “Botoxflatrate”, die ein ganzes Jahr lang Faltenfreiheit verspricht.
Laut einer G&G-Umfrage an 1000 Personen im November 2010 äußert knapp ein Drittel der Befragten, dass es jedem freisteht, seinen Körper operativ gestalten zu lassen. Die Hälfte findet Schönheitsoperationen nur bei Leiden angemessen, und rund ein Sechstel lehnt sie grundsätzlich ab. Für jeden Vierten käme solch eine Maßnahme schon allein aus Kostengründen nicht in Frage. Etwa zehn Prozent der Teilnehmer – fast ebenso viele Männer wie Frauen – haben sich bereits operieren lassen oder stehen kurz davor.
Die Ergebnisse weisen in die gleiche Richtung wie andere Erhebungen: 2009 befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa über 1000 Mädchen und Frauen. Resultat: 68 Prozent der Erwachsenen sind unzufrieden mit ihrem Aussehen, und jedes vierte Mädchen würde “Ja” zu einer Schönheitsoperation sagen, wenn sie diese geschenkt bekäme. Dabei bewerteten die 2009 befragten Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren ihr Aussehen besonders kritisch. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts “zehnvier” sind die beliebtesten Eingriffe: Bauchdeckenstraffungen, Fettabsaugungen, Brustverkleinerungen sowie Bruststraffungen.
Keine Körperregion scheint von dieser Entwicklung ausgenommen zu sein. 2007 warnten die Psychologin Lih Mei Liao und die Gynäkologin Sarah Creighton vor der Zunahme kosmetischer Genitalchirurgie in Großbritannien. Nach Angaben des National Health Service haben sich die Labienreduktionen (Verkleinerung der Schamlippen) in den vergangenen fünf Jahren nahezu verdoppelt, wobei die Mehrzahl der Eingriffe aus ästhetischen Gründen erfolgte.
Nicht nur der Markt für “Designer-Vaginas” wächst. Auch Körperteile wie die Füße rücken neuerdings in den Fokus der plastischen Chirurgie: New Yorker Spezialisten berichteten 2003 in der Modezeitschrift “Vogue” von der steigenden Nachfrage nach einer operativen Umformung der Füße, damit diese in modische Stilettos passen und sich auch in Flipflops und Sandalen gut machen.
Trend zum Körpertuning
Wieso wird ein vermeintlich perfektes Aussehen vielen offenbar immer wichtiger? Soziologen halten den Trend zum Körpertuning mit chirurgischen Mitteln für eine Folge der Individualisierung. In den westlichen Ländern lösen sich traditionelle Bindungen zunehmend auf. Damit steigt die Verantwortung des Einzelnen für die eigene Biografie. Identität wird immer weniger durch die Familie, den Wohnort oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsschicht definiert. Folge: Das Aussehen signalisiert noch stärker als früher, wer wir sind.Da soziale Beziehungen heute nur noch selten ein ganzes Leben lang halten, bleibt die Partnersuche für viele auch im mittleren und höheren Lebensalter ein Thema. Sowohl Frauen als auch Männer rechnen sich Chancen auf dem “Heiratsmarkt” aus, wenn sie der Natur ein wenig nachhelfen. Tatsächlich haben einige US-amerikanische Studien der letzten Jahre gezeigt, dass die Partnersuche zur Entscheidung für eine Schönheits-OP beitragen kann.
Auch die Mode spielt eine Rolle: Unsere Kleidung ist durchsichtiger geworden. Sie verhüllt nicht mehr kunstvoll wie in früheren Zeiten, sondern bringt die Kurven – oft schonungslos – zur Geltung. Hinzu kommt, dass Schönheitsoperationen dank des medizinischen Fortschritts sicherer und billiger geworden sind. Man muss also kein Großverdiener mehr sein, um sich plastisch-chirurgische Maßnahmen leisten zu können.
Der vielleicht bedeutendste Faktor sind jedoch die Medien. Wir begegnen Bildern von idealtypischen Körpern fast häufiger als realen Menschen. Von jeder Litfaßsäule, von den Titelseiten der großen Zeitungen und Magazine lächeln uns schöne Menschen an. Die Werbung hat dem perfekten Körper zu einer bis dato nicht gekannten Aufmerksamkeit verholfen. Ein jugendliches, attraktives Aussehen gilt heute als Symbol für sozialen Erfolg.
Freilich handelt es sich bei den omnipräsenten Bildern um ästhetische Fiktionen, nicht um Abbilder realer Körper – was viele Menschen nicht davon abhält, die unrealistischen Fotos zum Maßstab zu machen. So ergab eine Untersuchung der Psychologin Sherrie Delinsky von der Harvard Medical School in Boston im Jahr 2005, dass erhöhter Medienkonsum den Wunsch nach einem plastisch-ästhetischen Eingriff verstärkt.
Laut einer Studie des Instituts für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität München liefen im deutschen TV allein in den Monaten Februar bis Mai 2003 über 1250 Sendungen zum Thema Schönheitschirurgie. Acht Prozent davon waren so genannte Operationsshows. Dieses relativ junge Format, in dem Kandidaten eine Nasenkorrektur, ein Lifting oder eine Bauchstraffung gewinnen können, stammt aus den USA und lockt dort wöchentlich bis zu zehn Millionen Zuschauer vor den Bildschirm.
Umstrittener TV-Trend
Die Sendungen folgen stets dem gleichen Muster. Zunächst wird die Kandidatin vorgestellt und ihr Leidensdruck geschildert. Gestellte Szenen, etwa über Hänseleien in der Kindheit, vermitteln dem Zuschauer: Hier kann nur noch eine Schönheitsoperation helfen!
In der Sendung “The Swan – endlich schön!”, die als Prototyp der Beautyshows gilt, begeben sich die auserwählten Kandidatinnen für drei Monate in ein so genanntes Schönheitscamp, wo sie mit Hilfe von Fitnesstrainern, Ernährungsexperten und vor allem Schönheitschirurgen am eigenen Erscheinungsbild arbeiten. Das Spektrum reicht von Singles bis hin zu verheirateten Frauen mit einem oder mehreren Kindern. Der Altersdurchschnitt liegt bei 32 Jahren. Die Frauen kommen aus unterschiedlichen Berufsgruppen: Sie sind Angestellte, Selbstständige, Umschülerinnen oder Hausfrauen.
Im Camp gibt es keine Spiegel. Erst am Ende der Show wird den Teilnehmerinnen vor laufenden Kameras ein Blick in den Spiegel gewährt. Unter Freudentränen kommentieren die Frauen ihre neue Nase oder die vergrößerten Brüste mit Äußerungen wie: “Endlich bin ich der Mensch, der ich schon immer sein wollte!”
Als Grund für die Teilnahme bei solchen Beautysendungen nennen fast alle Kandidatinnen mangelndes Selbstbewusstsein, ein negatives Selbstbild und die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper – Dinge, die sich den Kandidatinnen zufolge nach der Rundumerneuerung stets zum Besseren gewandt haben. Obwohl in den Formaten kein einziges Mal das Wort Schönheitsideal auftaucht, haben alle Teilnehmerinnen offenbar eine exakte Vorstellung davon, wie eine wohl geformte Nase und eine gute Figur aussehen müssen.
Sendungen wie “The Swan – endlich schön!” erreichen auch in Deutschland Spitzeneinschaltquoten, aber sie rufen auch Kritiker auf den Plan, die sich vehement für ein natürliches Schönheitsideal einsetzten und kosmetische Eingriffe konsequent ablehnen.
Drang zum nächsten Eingriff
Aus psychologischer Sicht stellt sich die Frage, was Menschen dazu bewegt, plastisch-chirurgische Angebote zu nutzen. Aktuelle Studien zeichnen ein differenziertes Bild: Grundsätzlich lassen sich die Gründe, aus denen jemand – in der Mehrzahl immer noch Frauen – eine Körperkorrektur durchführen lässt, in internale (selbst gesteuerte) und externale (von außen angeregte) Motive einteilen. Diese Zuordnung ist idealtypisch, da in der Praxis meist beide Aspekte als Begründung für einen Eingriff genannt werden.Laut einer Untersuchung der Psychologin Canice Crerand vom Children’s Hospital of Philadelphia und Kollegen aus dem Jahr 2009 versprechen sich Frauen von einer Brustvergrößerung eine bessere psychische Verfassung, insbesondere mehr Lebensqualität und ein höheres Selbstwertgefühl (internal) sowie eine harmonischere Partnerbeziehung (external). Wie schon in einigen Studien aus den Jahren zuvor beschrieben auch Crerands Probandinnen ihre Unzufriedenheit mit dem eigenen Körperbild als Hauptgrund dafür, warum sie sich einen schönheitschirurgischen Eingriff wünschten.
2009 untersuchten die Psychologen Charlotte Markey von der Rutgers University in Camden (US-Bundesstaat New Jersey) und Patrick Markey von der Villanova University in Pennsylvania genauer, weshalb sich Frauen einem kosmetisch-chirurgischen Eingriff unterzogen. Sie fanden vier Faktoren, die eine maßgebliche Rolle spielten: allgemeine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, der Wunsch, einen bestimmten Makel zu korrigieren (etwa Segelohren, eine Höckernase), die Erfahrung von sozialer Stigmatisierung (Hänseleien in der Kindheit) und Vorbilder aus den Medien. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper stellte dabei den stärksten Auslöser dar.
Folgen der Selbstoptimierung
Aber geht es den Klienten nach der Operation auch tatsächlich besser? 2004 analysierten Roberta Honigman und ihre Kollegen vom Mental Health Research Institute in Melbourne 37 Studien hinsichtlich dieser Frage. Ergebnis: Fast immer verbesserte sich das psychische Wohlbefinden der Probanden durch eine schönheitschirurgische Maßnahme. Nur wenige profitierten nicht von den Eingriffen, ganz selten ging es den Betreffenden danach schlechter als zuvor. Negative Auswirkungen erlebten vor allem jüngere Kunden sowie solche, die schon mit vorausgegangenen Eingriffen unzufrieden waren. Auch wer nur minimale körperliche Mängel beheben lassen wollte oder hoffte, seine Partnerschaft durch die OP zu verbessern, profitierte nicht sonderlich davon. Dasselbe zeigte sich bei Patienten mit unrealistischen Erwartungen sowie mit Depressionen, Ängsten oder psychischen Erkrankungen.
Ob Menschen, die ihr Äußeres chirurgisch tunen lassen, möglicherweise besonders oft Anzeichen für psychiatrische Erkrankungen zeigen, untersuchten Forscher bislang am intensivsten an Patientinnen mit Brustimplantaten. Während Studien aus den sechziger und achtziger Jahren Auffälligkeiten bei den betreffenden Frauen verzeichneten, ergaben neuere, standardisierte Fragebogenstudien deutlich schwächere Hinweise. Zwar zeigten drei unabhängige Untersuchungen von 2003 und 2004, dass Brustaufbaupatientinnen häufiger psychotherapeutisch behandelt wurden und öfter Psychopharmaka einnahmen als der Bevölkerungsdurchschnitt oder auch als solche Personen, die sich an anderen Stellen plastisch-chirurgisch hatten verändern lassen. Leider haben die Studien aber allesamt methodische Schwächen. So waren die Ergebnisse möglicherweise verzerrt durch die “Vermeidung kognitiver Dissonanz”, wie Psychologen ein häufiges Phänomen nennen: Wer eine freiwillige und aufwändige Operation im Nachhinein beurteilen soll, sieht sie eher in positivem Licht. Denn wer gesteht sich schon gerne ein, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben?
Es ist also kaum möglich, aus der aktuellen Studienlage den Schluss zu ziehen, dass Frauen, die ihre Brüste vergrößern lassen, besonders oft psychisch krank seien. Sicher scheint nur, dass die Mehrzahl der Klientinnen nach dem Eingriff wesentlich zufriedener mit ihrem Körper sind – zumindest in den ersten zwei Jahre, denn über einen längeren Zeitraum wurde der Behandlungserfolg bislang nicht untersucht.
Imaginierte Schönheitsfehler
Nach dem aktuellen Wissensstand scheinen Kunden von Schönheitschirurgen allerdings überdurchschnittlich oft an einer Körperdysmorphen Störung zu leiden. Das zeigten zahlreiche Untersuchungen, zuletzt die Überblicksstudie von Canice Crerand und Kollegen im Jahr 2006. Demnach finden sich bei 2 bis 15 Prozent der Klienten von Schönheitschirurgen Anzeichen für eine solche Erkrankung. Sie beschäftigen sich übermäßig mit einem eingebildeten körperlichen Makel und verspüren unablässig den Zwang, ihr Aussehen im Spiegel zu überprüfen. Die Betroffenen verwenden extrem viel Zeit für das Kaschieren des imaginierten Schönheitsfehlers. Nach und nach entwickeln sie so starke Hemmungen, dass sie sich von ihrem sozialen Umfeld absondern und alltäglichen Anforderungen kaum mehr nachkommen können.
Katherine Phillips von der Brown University in Providenc (US-Bundesstaat Rhode Island) untersuchte bereits 1997 an 188 Patienten mit einer Körperdysmorphen Störung, welche Körperteile sie vorrangig als entstellt erlebten. Probleme mit der Haut führten die Makelliste an (65 Prozent), es folgten Haare (55 Prozent), Nase (39 Prozent), Augen (19 Prozent), Beine (18 Prozent) und schließlich die Brüste bei Frauen beziehungsweise die Brustmuskeln bei Männern (je 14 Prozent).
Naheliegenderweise träumen derart Erkrankte oft davon, ihr Leiden manchmal mittels Skalpell beseitigen zu lassen, weshalb plastische Chirurgen im Vorgespräch prüfen sollten, ob ein Klient möglicherweise an der Störung leidet. Ein typisches Zeichen für tiefer greifende Probleme ist, dass Betroffene fast immer unzufrieden mit dem Resultat sind – auch wenn die Operation nach den Regeln der plastisch-chirurgischen Kunst erfolgreich verlief. Manche dieser Patienten finden kurz nach der Korrektur plötzlich ein anderes Körperteil hässlich und bereiten sich prompt auf die nächste Maßnahme vor. Bislang ergab aber keine Studie, dass bei Gesunden eine Schönheitsoperation den Drang zum nächsten Eingriff fördert.
Laut US-amerikanischen Untersuchungen entwickeln Frauen eine Körperdysmorphe Störung etwas häufiger als Männer. Für den deutschen Sprachraum liegen nur vereinzelte Studien zur Erkrankungsrate vor. Einer Untersuchung von 2006 zufolge sind 1,7 Prozent der deutschen Bevölkerung betroffen. In bestimmten Gruppen ist der Anteil jedoch deutlich höher: Bei Patienten von Hautärzten liegt die Rate je nach Studie zwischen knapp 12 und 23 Prozent. Erhebungen speziell für Klienten von plastischen Chirurgen in Deutschland gibt es hingegen nicht.
Wie auch immer man zu Schönheitsoperationen steht: Für viele Menschen sind sie ein Mittel zur Steigerung der Attraktivität, ja zur Gestaltung des persönlichen Idealbilds geworden, ganz ähnlich wie Diäten oder das Training im Fitnessstudio. Menschen, die sich aus kosmetischen Gründen operieren lassen, zeigen keine psychischen Auffälligkeiten, und in den meisten Fällen profitieren sie seelisch von den Eingriffen. Der Medizinhistoriker und Psychiater Sander Gilman, der 1999 die erste Sozialgeschichte der Schönheitschirurgie vorlegte, scheint mit seiner Prognose Recht zu behalten: “In Zukunft wird es normal sein, sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen”, schrieb er. Zumindest kleinere Eingriffe dürften bald genauso alltäglich sein wie eine kieferorthopädische Korrektur mittels Zahnspange – die noch vor 50 Jahren als exotische Rarität galt.
Ada Borkenhagen ist Psychologin und Psychotherapeutin. Sie lehrt an der Universität Leipzig.
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