Sie sind das Gehirn und das Herz von allen Feuerwehren und Rettungsdiensten. Egal wo, egal wann, ohne sie würde es nicht laufen. Oft schimpft man über sie und doch sind sie zwingend dabei…Die Rede ist von den Leitstellen, in diesem Fall egal, ob integriert oder nicht.
Und weil ich mir immer schon alles selber anschauen wollte, bevor ich mir eine Meinung über etwas bilde, wollte ich schon immer mal auf eine Leitstelle. Ich meine jetzt nicht nur besichtigen und staunen, sondern auch live und real eine Schicht mit dabei sein.
Im Rahmen meines Anerkennungsjahres zum Rettungsassistenten hatte ich dann das Glück (und das nötige Vitamin B) dies auch zu schaffen. Ich durfte eine Schicht lang, also 24 Stunden, auf einer Leitstelle erleben. „Meine“ Leitstelle war eine integrierte Leitstelle, die für einen großen Ballungsraum mehrerer Städte zuständig ist und vom Landkreis betrieben wird.
So trat ich also irgendwann vor knapp anderthalb Jahren ein in die heiligen Hallen. Zuerst zeigte mir „mein“ Lehrer, ein Disponent der heutigen Schicht, die Leitstelle. Er führte mich rum, zeigte all die Räume und die Technik, den riesigen Serverraum und auch das, was hinter einer Leitstelle ist: Ruheräume, Fernsehraum, Küche und all das.
Danach setzten wir uns an einen Abfrageplatz, von denen insgesamt elf Stück in der Leitstelle vorhanden sind. Ein solcher Abfrageplatz ist quasi der unmittelbare Arbeitsplatz eines Disponenten. Weil diese hier teilweise bis zu sechs Stunden am Stück sitzen, ist er auch so bequem wie möglich gehalten. Alleine schon der Stuhl ist eine Wonne für jeden Rücken, vollständig in allen erdenklichen Variationen verstellbar, ist er mit Sicherheit schon ein Vermögen wert. Der Schreibtisch mit den Bildschirmen ist auch in allen nur vorstellbaren Möglichkeiten kombinierbar: Der Disponent kann nicht nur den Tisch vollständig höhenverstellen, er kann auch einzelne Winkel des Tsiches bestimmen und die Beleuchtung des Tisches modifizieren. Ein echtes High-Tech-Ding.
Zu einem Abfrageplatz gehören neben dem obligaten Telefon, was heutzutage auch oftmals gegen ein Headset ersetzt wird, jedes Mal fünf Bildschirme plus ein Touchscreen. Die fünf Bildschirme bieten eine Maske zum Eingeben des Einsatzes, einen Bildschirm für die aktuell laufenden Einsätze, einen Bildschirm für die FMS-Status aller Fahrzeuge, einen Bildschirm für die Karte des aktuellen Einsatzes, einen Bildschirm für sonstige Medieninformationen und den Touchscreen als Telefonanlage.
Was mir zuerst aufgefallen ist, ist das es verdammt schwer ist , den Überblick über diese Massen an Informationen zu behalten. Da sage mal noch einer, nur Frauen seien multi-tasking fähig…Die Verarbeitung war ja schon jetzt schwierig, während wir quasi im Stand-By waren und keine Anrufe oder Einsätze disponierten. Wie ist das dann nur, wenn man richtig in Action ist, fragte ich mich.
Diese Frage sollte ich heute auch noch beantwortet bekommen, allerdings gingen wir (also mein Tutor und ich) uns jetzt erst stärken. Dabei klärten wir diverse andere Fragen von mir. So erfuhr ich, dass die Disponenten zum Bsp. zwar 24 Stunden Dienst haben, aber nur 12 Stunden effektiv arbeiten, da man laut Gesetz nur 6 Stunden Bildschirmarbeit am Stück leisten darf. In den restlichen 6 Stunden haben sie Bereitschaft und Ruhezeit.
Nach der kurzen Stärkung ging es dann ans Eingemachte: Wir gingen an einen Disponentenplatz und klinkten uns ein, in diesem Fall wortwörtlich. Schon nach kurzer Zeit, gefühlte 2 Minuten nach dem Einloggen, kam auch schon der erste Notruf rein. Ich durfte logischerweise nicht selber abfragen, aber das dabei sein, war schon interessant. Einen klassischen Herzinfarkt schilderte der Meldende, also Einsatz für NEF und RTW. Wie der Zufall es so wollte, war es auch gleich ein Einsatz für meine Ausbildungswache. Die Kollegen waren verdammt erstaunt, als ich sie zum Einsatz disponierte und sie meine Stimme am Funk hörten. Ich konnte meinen Tutor überreden, funken zu dürfen… .
Nach diesem Einsatz kam kurz danach der nächste Ruf rein: Allerdinsg nur ein Scherzanruf. Ich sollte an diesem Tag schnell lernen, dass etwa gefühlte 80% der Notrufe leider wirklich nur von dieser Art sind. Scherzanrufe von Besoffenen, Testanrufe vom Trödelmarkt oder Schulkinder, wenn Schulschluss war…traurig, aber wahr. Nachher schilderte mir ein Disponent, dass sie genau merken würden, wenn Ferien seien, weil dann die Kinder im Urlaub wären und nicht mehr anriefen. Aufgefallen ist mir hier, dass der Respekt vor einer solchen Notrufeinrichtung immer weiter und weiter sinkt…schon bei den Kleinsten.
Inszwischen hatte sich auch der Herzinfarkt gemeldet und wollte wissen, welches Krankenhaus aufnahmebereit wäre und dort vorangemeldet werden. Also rumtelefonieren, Katheterplatz abfragen und voranmelden. Auch das gehört zu den Aufgaben eines Disponenten: Rückwärtige Einsatzunterstützung im Fachchinesisch.
Nach knapp drei Stunden „am Platz“, die Zeit verflog bis dahin wie im Flug, merkte ich wirklich wie meine Augen brannten. Die vielen Informationen, die Bildschirme und alles gleichzeitig…man könnte sagen Überfrachtung. Mein Tutor meinte, man würde sich mit der Zeit daran gewöhnen…er muss es ja wissen.
Aber kein Problem: Mein Disponent fragte, ob ich nicht dabei sein wollte beim Checken. Die Leitstelle besetzt nämlich auch noch diverse Führungsfahrzeuge und gerade lief der Check des ELW 3. Dieser ist quasi eine mobile Leitstelle für Großschadenslagen und ein Wunder der Technik. Alles was oben in der Leitstelle stand, war hier auf engstem Raum zusammengefasst.
Nach dem Checken und einer Pause war es wieder Zeit für „am Platz“. Wie es so sollte, hatte ich noch das Glück auch einen Rettungsdienst-Einsatz mit RTH mit zu bekommen. Ein RTH ist in der Hinsicht was besonderes, dass man diesen auch erstmal organisieren muss, dann einweisen muss und zeitgleich auch andere Stellen informieren muss.
Am Nachmittag hatte „mein“ Disponent dann das Vertaruen in mich, mit Erlaubnis seines Schichtleiters, mich acuh einmal einen Notruf abfragen zu lassen, während er daneben mithörte. Ich muss sagen, ich habe Blut und Wasser geschwitzt, wollte die richtigen Fragen stellen und alles richtig machen…Nachdem die ersten fünf Anrufe nur Fakes waren, war der sechste Anruf dann real: Ein Fahrradsturz. Also RTW alarmiert und disponiert und all das was anfällt, erledigt. Schon cool.
Die Nacht gestaltete sich ruhig und entspannt, am Tag war ja auch genug los gewesen. Allerdings kommt eine Leitstelle nur selten zur Ruhe, eigentlich ist immer was zu tun.
Am nächsten Morgen ging ich mit vielen neuen Eindrücken aus der Leitstelle: Respekt vor den Disponenten, die meistens den Überblick behalten. Verständnis, wenn der dann doch mal etwas verloren geht und Geduld, weil die Stimme am Funk oder am Telefon auch nur ein Mensch ist. Und der Erkenntnis, dass unglaublich viele Anrufe nur Fakes sind. Erschreckend.