Ein einfacher Blut- und Speicheltest könnte in Zukunft genügen, um herauszufinden, ob jemand kurz vor einem Burnout steht – so sehen es zumindest Dr. Sonia Lupien und Robert-Paul Juster vom Centre for Studies on Human Stress des Louis-H. Lafontaine Spitals und der University of Montreal.
Burnout Patienten haben in der Regel nicht nur mit beruflichen und persönlichen Problemen zu kämpfen, sondern sind auch körperlichen und psychologischen Risiken ausgesetzt, sofern ihr Krankheitszustand nicht erkannt wird. Das ist eine gewichtige Tatsache, sind doch in Europa und den USA mindestens 10 Prozent der arbeitenden Bevölkerung gemäss Schätzungen der Internationalen Arbeiterorganisation (International Labor Organization) von Burnout, Depression oder Angstzuständen betroffen.
„Für unsere Untersuchung haben wir die Hypothese aufgestellt, dass offensichtlich gesunde Arbeiter, die einem chronischen Stress ausgesetzt sind und milde Formen eines Burnout zeigen, schlimmere physiologische Dysregulationen und einen niedrigeren Kortisol-Spiegel haben – ein Profil, das für Burnout typisch wäre,“ erklärte Robert Juster. Kortisol ist ein Stresshormon, das eine wichtige Rolle in der Stressantwort unseres Körpers spielt. Kortisol-Spiegel sind in der Regel bei Personen, die eine Depression haben, erhöht, während Burnout-Patienten typischerweise niedrige Kortisol-Spiegel aufweisen. Zu viel Kortisol wie auch zu wenig davon haben gravierende physische und psychische Konsequenzen zur Folge.
Chronischer Stress und nicht ausbalancierte Kortisol-Spiegel können eine Art Domino-Effekt ausüben, wenn sie in einem biologischen System zeitgleich auftreten. Umschrieben wird das Ganze mit dem Begriff der „allostatischen Last“. Dieser auf den amerikanischen Neurobiologen Bruce McEwen zurückgehende Terminus bezeichnet die kumulativen negativen Folgen gehäufter Stressreaktionen oder die “Abnutzung” des Körpers durch wiederholte Zyklen der Allostase (Kurzzeitige protektive Anpassungsreaktionen ) und durch das ineffiziente An- und Abschalten der Stressantwort. Mögliche Langzeitschäden der allostatischen Last wären in diesem Schema etwa ein erhöhtes Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf Erkrankungen und Immunprobleme. Indem man nun verschiedene Marker, die sich bei chronischer Stressbelastung verändern können, beobachtet (dazu zu zählen wären etwa das Insulin, der Blutzucker, das Cholesterin, der Blutdruck und andere), kann ein Index für die allostatische Last berechnet und für die Frühzeiterkennung der dafür verantwortlichen Ursachen verwendet werden. „Die Stärke des Modells der allostatischen Last ist seine Flexibilität in Bezug auf die Beobachtungswerte, die sich bei einer chronischen Stressbelastung verändern. Zusätzliche Untersuchungen von Speichelproben und validierten Fragebögen geben uns die Möglichkeit über die Empfindlichkeit der organischen Systeme hinaus auch Informationen über den psychischen Zustand der Schädigung zu erlangen,“ sagte Juster.
Die Resultate der ersten Pilotstudie, die in der Fachzeitschrift Psychoneuroendocrinology erschienen ist, basieren auf 30 Patienten, mittleren Alters. Zusätzlich zu den Routineuntersuchungen des Blutes um die allostatische Last zu berechnen, wurden die Studienteilnehmer aufgefordert zu Hause und zusätzlich im Labor Speichelproben zu sammeln. Ebenso mussten sie einen Fragebogen zu ihrem aktuellen Stressniveau wie auch allfälligen Depressions- und Burnout-Symptomen ausfüllen.
Die Studie ist Teil eines grösseren Projektes mit dem Ziel einer personalisierten Medizin auf diesem Gebiet. Die personalisierte Medizin dient letztlich dazu, eine Standardtherapie in einer auf die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnittenen Variante anbieten zu können. „Wenn wir Fortschritte in der personenzentrierten Therapie und Prävention machen wollen, so müssen wir die biopsychologischen Signaturen der spezifischen Krankheiten untersuchen und kennen,“ meinte Lupien. „Für Zustände wie das Burnout es darstellt, bei denen wir keine allgemein gültigen Diagnosekriterien besitzen und die eine beträchtliche Überschneidung der Symptome mit denjenigen einer normalen Depression aufweisen, ist es essentiell, mehrere Analysemethoden anwenden zu können. Eine der möglichen Charakteristiken eines Burnout Syndroms scheint eine Erschöpfung der Kortisolproduktion und eine Dysregulation der physiologischen Systeme, die mit diesem Stresshormon interagieren, zu sein.“
Burnout-Patienten werden öfters mit Antidepressiva behandelt, die den Kortisol-Spiegel senken. Falls der Kortisol-Spiegel aber aufgrund des Burnout schon reduziert ist, könnte eine solches Therapieschema kontraproduktiv sein. „Die Verwendung eines Index für die allostatische Last gibt Forschern und Klinikern die Möglichkeit abzuschätzen, wie sehr chronischer Stress die untersuchte Person in Mitleidenschaft zieht. In der Zukunft müssen wir Daten von Personen über einen längeren Zeitraum erheben, um herauszufinden, ob dieses spezifische Profil von niedrigem Kortisol-Spiegel und physiologischer Dysregulation tatsächlich typisch für ein Burnout ist. Wenn ja, so werden wir einen Schritt weiter sein, unter Druck stehenden Arbeitnehmern eine Hilfe anzubieten, bevor sie tatsächlich ausbrennen,“ meinte Juster.