In meinem Postfach liegt ein Fax. Aha, ein Entlassbrief aus dem St. Ägidius-Stift in St. Anderswo. Stirnrunzelnd nehme ich das Blatt in die Hand.
Es geht um Herrn Chromsky. Das sind also die Informationen, auf die wir sehnsüchtig gewartet haben! Hastig überfliege ich das Dokument. Ich bin verwirrt.
In dem Arztbrief geht es nämlich zunächst einmal um etwas ganz Anderes. Herr Chromsky wollte sich nämlich ein künstliches Hüftgelenk einbauen lassen. Es gebe nämlich starke arthrotische Veränderungen – also deutliche Verschleißerscheinungen.
Bei seinen knapp hundertzwanzig Kilo Lebendgewicht wundert mich das ehrlich gesagt nicht. Jetzt fällt mir auch wieder ein, wie furchtbar langsam er da mit seinem Rollator die paar Schritte vom Bad ins Bett geschluft ist.
Bezüglich der Arthrose bestehe beidseits klare Operationsindikation, allerdings haben die Anästhesisten paar dumme Fragen gestellt. Sie waren sich nämlich nicht sicher, ob das mit der Narkose so einfach zu machen war. Deshalb haben sie ihn bei den Internisten vorgestellt und die fanden die Lungen-Röntgenaufgabe suspekt, haben ein CT gemacht und dort die Verdachtsdiagnose eines Bronchialkarzinoms gestellt. So wurde die Operation vorerst zurückgestellt.
Der Patient sollte zur weiteren diagnostischen Abklärung und gegebenenfalls Planung einer entsprechenden Therapie von der internistischen Abteilung übernommen werden, aber daraus wurde wohl nichts.
„…so entließen wir den Patienten auf ausdrücklichen eigenen Wunsch und gegen ärztlichen Rat. Wir empfehlen dringend….“ blablabla.
Ich falte den Brief zusammen und stecke ihn kopfschüttelnd in meine Kitteltasche. Dann mache ich mich auf den Weg zu Herrn Chromsky. Ich brauche gar nicht lange zu suchen, er kommt mir schon auf dem Flur entgegengeschlurft: blitzeblau im Gesicht, keuchend wie immer, millimeterweise seinen Rollator vorwärts schiebend. Er war nämlich gerade auf dem Balkon um… na, was wohl? Feuerzeug und Zigarettenpäckchen stecken in der Brusttasche.
„Was war denn da los, letztes Jahr?“ frage ich.
„Ach Sie meinen… mit…“ – keuch – „…die Knolle?“
Zum Beispiel.
Herr Chromsky macht eine wegwerfende Handbewegung.
„Die wollten mich nicht operieren. Bin ich gegangen!“
Und damit dreht er sich um und verschwindet im Zimmer.