„Und was macht deine Doktorarbeit?“
Irgendwann kommt im Leben eines Mediziners der Punkt, an dem man dann doch noch mit der Promotionsarbeit beginnt. Abhängig davon, wie aufwendig die Arbeit ist und wie gut oder schlecht die Betreuung ist, ist der Arbeitsaufwand, den der Dr. cand. med. dafür betreiben muss.
Wer kennt das nicht: Das Semester geht los, und damit man erst mal ankommt in all den neuen Kursen und Fächern, steht die Doktorarbeit zunächst hinten an.
In der Mitte des Semesters regt sich dann in der Regel das schlechte Gewissen, und man beschäftigt sich dann doch mal wieder damit – meist eher widerwillig, weil irgendein bürokratisches, labortechnisches oder anders geartetes Problem ein zügiges Vorankommen verhindert.
Sobald dann die Klausurenzeit losgeht ist wieder Ebbe in der Doktorarbeitswelt. Doktorväter, -mütter und sonstige Beteiligte werden auf das „Danach“ vertröstet.
Dann vergräbt man sich in den Büchern und lernt und lernt und lernt. Und wenn man dann doch mal freitagabends mit Freunden weggeht, kommt beim Telefonat am nächsten Tag, bei dem die Eltern die Fahne noch durchs Telefon riechen, unweigerlich die Frage: „Sag mal, machst du eigentlich auch noch was für deine Doktorarbeit?“
Liebe Eltern, liebe Freunde (ja, auch die Nicht-Mediziner im Freundeskreis haben diese nervige Frage drauf), ich habe eine Gegenfrage: Warum werde ich das eigentlich nur in solchen Momenten gefragt, wenn ich gerade eh ein schlechtes Gewissen habe, weil ich nichts für meine Doktorarbeit mache? Müsst ihr das eigentlich immer in der Klausurenzeit fragen? Oder gleich am ersten Ferientag, den ich mir frei genommen habe, weil ich der festen Meinung bin, dass ich mir das verdient habe?
Warum fragt ihr nicht nach meinem Fortschritten, wenn ich gerade tagelang nichts anderes gesehen habe als Akten, Laborutensilien, PCs und Ethikanträge?
Dann könnte ich euch erzählen, dass alles etwas mühselig ist, ich mich aber tapfer durchkämpfe und dran bleibe. Dann könnte ich euch sagen, wie schwer es ist, ein Treffen mit irgendwelchen Oberärzten oder anderen relevanten Personen zu bekommen, weil die wirklich Besseres zu tun haben, als sich mit mir zu beschäftigen.
Dann könnte ich euch auch sagen, dass ich sogar unvorbereitet in Uni-Kurse gehe, weil ich den ganzen Nachmittag in der Biostatistischen Beratung gesessen habe und mich dabei so dumm gefühlt habe, dass ich noch mal auf das Abiturzeugnis schauen musste, um zu glauben, dass ich jemals Mathe hatte.
Dann würde ich zugeben, dass ich in der Vorlesung heute früh um acht Uhr eingeschlafen bin, weil ich in der Nacht davor DEN Durchbruch bei den Versuchen hatte.
Aber ihr müsst das ja immer in einer Zeit fragen, in der ich versuche, mir den Stoff aus mindestens vier verschiedenen Fachbereichen gleichzeitig einzuprügeln.
Hier ist also die Antwort:
Liebe Eltern, liebe Freunde, liebe Großeltern, ich weiß, ihr habt nur mein Bestes im Sinn und seid unwahrscheinlich stolz darauf, dass ich an einer Promotion arbeite. Und ihr wollt wahrscheinlich wirklich nur wissen, wie es läuft. Aber im Moment stecke ich bis zum Hals in Arbeit. Ich lerne für verschiedene Klausuren und habe deshalb beschlossen, die Doktorarbeit etwas ruhen zu lassen, damit ich konzentriert fürs Studium lernen kann.
Immerhin möchte ich euch stolz machen und die Klausuren bestehen.
Ich will nämlich nicht gefragt werden: „Und wie kommt es, dass du durchgefallen bist? Hast du nicht genug gelernt?“
Ihr seht, es ist ein Drahtseilakt. Also bitte, bitte, bitte kommt mir nicht ständig mit diesem vorwurfsvollen Tonfall. Ich arbeite dran! Wirklich. Manchmal mehr, manchmal weniger…
Anna
Den ersten Teil “nervige Fragen” findet ihr hier:
Von nervigen Fragen und fehlenden Antworten I
und den zweiten Teil “nervige Fragen” gibt’s hier:
Von nervigen Fragen und fehlenden Antworten II
und den dritten Teil “nervige Fragen” gibt’s hier:
Von nervigen Fragen und fehlenden Antworten III
und den vierten Teil “nervige Fragen” gibt’s hier:
Von nervigen Fragen und fehlenden Antworten IV
Anna ist ehemalige Lokalredakteurin für Lübeck und nun “Studium-Kommentatorin”.