Medizin und Demokratie

Letztens habe ich Dr. Wuschelmann getroffen: eine konspirative Unterredung auf neutralem Territorium. Die genauen Umstände dieses Treffens spielen keine Rolle.
Ach ja, Dr. Wuschelmann ist hier in Bad Dingenskirchen der König der Kügelchen. Er hat eine Praxis für Naturheilkunde, Homöopathie, Akupunktur, traditionelle chinesische Medizin, Voodoo und Kristallaurahokuspokustherapie (Okay, die letzten beiden Punkte waren gelogen).
Dr. Wuschelmann nippte also an seinem Kräutertee und schüttelte den Kopf.
„Ihr Schulmediziner seid Despoten!“ sagte er dann.
„Warum?“
„Weil es in der Schulmedizin eine lange antidemokratische Tradition gibt. Schauen Sie sich doch die Strukturen eines Krankenhauses an: Chefarzt, Oberarzt, Assistenzarzt. Das sind doch Rangordnungen, wie man sie sonst nur beim Militär kennt!“
„Hmm…. hat das nicht historische Gründe?“
Dr. Wuschelmann nickte heftig.
„Genau. Die deutsche Schulmedizin hat ihren Ursprung im Militär. Siebzehn-fünfundneunzig, da hat Friedrich Wilhelm der Zwote, der König von Preußen die Pépinière gegründet.“
„Was war das?“
„Die Ausbildungsstätte für preußische Militärärzte.“
„Was hat das mit unseren heutigen Krankenhäusern zu tun?“
„Der Geist von damals besteht immer noch fort. Und deswegen lasst Ihr Schulmedizinier auch keine anderen Meinungen gelten. Glaubt Euch im Besitz der Alleinseligmachenden Wahrheit. Überall sonst sind die Tyrannen gestürzt worden. Die Menschen haben kapiert, dass die Diktatur keine ideale Regierungsform ist. Nur in der Medizin, da ist man noch nicht so weit.“
„Und… äh… wie wollen Sie das ändern?“
Dr. Wuschelmann lächelt.
“ Mut zur Vielfalt!“ sagt er, „und genau das lebe ich in meiner Praxis. Es gibt nun einmal nicht nur eine einzige alleinseligmachende Wahrheit. Weder in der Politik noch in der Medizin!“
Er trank seinen Tee aus, reichte mir die Hand, zog seinen Mantel an und trat hinaus in die Nacht.

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