Mut zum Selbstbewusstsein

(KIEL) Da behaupte einer noch, die Norddeutschen seien “unterkühlt”: soviel frenetischen Beifall, Bravo-Rufe und Gänsehautfeeling hat es im  Audimax der Christian-Albrechts-Universität jedenfalls selten gegeben.  Dabei war es nicht Anna Netrebko, die die Anwesenden begeisterte – es war Andreas Westerfellhaus, der Präsident des Deutschen Pflegerates, dem der Zuspruch der über 300 Pflegenden gebührte.

Im größten Vorlesungssaal der Kieler Universität fand die erste Fachtagung des Pflegerates Schleswig-Holstein statt.  Nachdem Dr. Bettina Bonde, Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Gesundheit  und Soziales des Landtages Schleswig-Holstein,  über die Rolle der Pflege in der Gesellschaft referierte, kam Westerfellhaus zu Wort. Sein Beitrag war im Programm als die Darstellung der pflegepolitischen Entwicklungen aus Sicht des  Pflegerates überschrieben – hinter dem trockenem Titel verbarg sich ein glühendes Plädoyer für berufspolitisches Engagement.  Die Aufforderung zur Organisation kam nicht als Anklage daher, sondern als Lösungsmöglichkeit. Westerfellhaus machte den Zuhörern Mut, sich ihrer Durchsetzungskraft bewusst zu werden. So sieht es auch Prof. Igl, wenn er sich “mit einem Minimum an taktischen Kalkül vorstellt, wieviel Macht 1,2 Millionen Pflegende entfalten können”.  Der Jurist, der die Diskussion um die Pflegekammer so maßgeblich geprägt hat, sieht in dieser großes Potenzial. Sie sei notwendig und könne “ein richtiger Player” werden. Unverständnis zeigt der Hochschullehrer für die Haltung der Gewerkschaften in der Kammer-Diskussion: ” Es kann nicht sein, dass eine Arbeitnehmervertretung des Berufes sich gegen den Beruf wendet.”

Abschließend stellten sich die Mitglieder des Landespflegerates einzeln vor. Da bekam politisches Engagement noch mal Gesicht. Z.B. Frank Vilsmeier, Vorsitzender der Bundesfachvereinigung leitender Krankenpflegepersonen der Psychiatrie (BFLK) in Schleswig-Holstein und Hamburg, der auch die Bedeutung der Selbstorganisation unterstrich: “Nur über die Verbände wird es uns gelingen, politisch aktiv zu werden.”

Und wer jetzt immer noch glaubt, die Probleme in der Pflege rührten von den unterschiedlichen Interessen der zerstrittenen Verbänden: die Verbände mögen manchmal unterschiedliche Positionen haben – das ändert nichts daran, dass sie kooperativ und konstruktiv und ganz und gar nicht zerstritten solche politischen Veranstaltungen auf die Beine stellen. Aber den mehreren 100.000 Pflegenden, die sich lieber nicht politisch beteiligen, denen sollten langsam die Ausreden ausgehen. (Zi)

P.S.: Das Fernsehen war auch da. Bis zum 04. März ist der  Beitrag in der Mediathek des  NDR unter dem Titel “Pflegende in Not” noch anzuschauen.

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