Frau Wirges ist wieder da.
Am Morgen entdecke ich ihren Namen beim routinemäßigen Blick auf die Tafel mit den Patientennamen. Wenig später in der Frühbesprechung erfahre ich den Grund für ihre erneute Anwesenheit in unserem gastlichen Haus.
„Wirges, Anna, neunundsiebzig Jahre, akuter Apoplex mit Hemiparese links,“ betet Martin routiniert herunter, „Im CT rechtsseitiger Mediainfarkt nachgewiesen, aber da die Symptome schon mehr als zwölf Stunden bestanden hatten war es zu spät zur Lysebehandlung. Neurologisches Konsil ist gelaufen…“
„Weiter konservativ!“ sagt der Chef.
„Gibt’s Risikofaktoren und Vorerkrankungen?“ fragt Oberarzt Heimbach.
„Vorhofflimmern mit Tachyarrhythmia Absoluta!“ sage ich.
„Ich nehme an, sie ist antikoaguliert?“ Heimbachs Frage ist eher rhetorisch gemeint. Bei dieser Herzrhythmusstörung können sich im Herzen kleine Blutgerinsel bilden, deswegen sollten alle entsprechenden Patienten ein Mittel zur Blutverdünnung (korrekt ausgedrückt: zur Hemmung der Blutgerinnung) einnehmen. Das ist allgemein bekannt und eigentlich Routine.
Aber eben nicht bei Frau Wirges.
„Ich glaube… äh… eher nicht!“ sage ich.
Oberarzt Heimbach schaut mich scharf an.
„Warum nicht?“
„Es hab da… gewisse Probleme!“
Heimbachs Blick läßt vermuten, dass er später noch eine ausführliche Erklärung verlangen wird, aber nicht jetzt.
Und nach der Besprechung gehe ich erstmal zur Patientin. Ihr linker Arm und der linke Mundwinkel hängen herunter. Aber immerhin, sprechen kann sie noch.
„Das Gerät ist immer noch nicht genehmigt worden!“ sagt sie.
„Und die Spritzen?“
Die Patientin winkt ab.
„Das habe ich eine Woche lang gemacht… dann war mir das einfach zu kompliziert…“
Jeglichen Kommentar verkneife ich mir.