Verwaltung frisst Zeit
Aus dem vorherigen Artikel ist klar geworden: Wenn man als Arzt die Wochenarbeitszeit bei steigendem bürokratischen Aufwand etwa konstant halten will, muss die Patientenzeit verkürzt werden. Das sind inzwischen jede Woche viele Stunden. Der Patient weiß nicht viel davon. Er hört immer nur, der Doktor ist dann und dann nicht da und entsprechend ist die Stimmung am Empfangstresen enttäuscht bis wütend. Dass der Arzt möglicherweise doch in der Praxis sitzt, vergraben unter einem Haufen Verwaltungskram, sieht der Patient nicht.
Inzwischen ärgert mich als langjährigem Hausarzt die Bürokratie gleich vielfach:
1. habe ich nicht studiert, um ein Experte im Formular- und Verschlüsselungswesen zu werden.
2. raubt sie jede Menge Patientenzeit (mein eigentlicher Berufswunsch war die Behandlung von Menschen, nicht von Akten)
3. komme ich, während ich die ungeliebte und unfreiwillige Büroarbeit verrichte, bei den Patienten auch noch in den Verruf, dauernd auf der faulen Haut zu liegen
4. weigert man sich als Arzt, den Verwaltungsaufwand zu betreiben, verzichtet man entweder auf Honorar oder es wird einem gekürzt. Oder: Es wird einem die Zulassung für bestimmte Dinge verweigert.
Erfahrener Hausarzt darf keine Kuranträge stellen
In meinem Fall bedeutet das beispielsweise, dass ich seit einiger Zeit keine Anträge auf stationäre REHA-Maßnahmen, die über die Krankenkasse laufen, mehr stellen darf. Ich habe es über 20 Jahre lang getan, dann hieß es, man müsse sich mit einer Wochenend-Fortbildung dafür qualifizieren. Das habe ich abgelehnt. Ich wollte kein freies Wochenende dafür hergeben um zu lernen, wie man ein Formular ausfüllt, das ich 20 Jahre lang ausgefüllt habe. Jetzt darf ich keine Kuranträge, die über die Krankenkasse laufen, mehr stellen.
Einerseits schön – ein Formular weniger, das mich nervt. Andererseits lästig für die Patienten, die für diesen Akt zu einem anderen Arzt gehen müssen. Sogar einigen Krankenkassen war das zu blöd, und sie wollten ein Auge zudrücken, wenn ich trotzdem einen Antrag ausfüllte. Allerdings würde ich dann keine Gebühr dafür in Rechnung stellen dürfen. Ich verweigere mich in diesem kleinen Punkt weiter und weiß, dass es kindisch ist. Aber ich kann nicht anders. Je mehr Patienten sich bei ihren Krankenkassen beschweren, dass ihr Hausarzt das nicht mehr machen darf, um so mehr freue ich mich.
Eine Landarztpraxis rentiert sich nicht?
Das ist Unsinn. Richtig müsste es heißen: Eine Praxis auf dem Land rentiert sich sehr gut, man darf nur nicht so viele Patienten behandeln.
Man muss die richtigen Kniffe einer kassenärztlichen Abrechnung kennen, dafür am besten Fortbildungen besuchen und viel Zeit darauf verwenden, die erworbenen Kenntnisse in die Tat umzusetzen. Ohne spezielle abrechnungstechnische Kenntnisse hat man heutzutage als niedergelassener Arzt keine Chance mehr, einerseits das System zu durchblicken und andererseits, es auf legale Weise bestmöglich zu nutzen. Die kassenärztliche Abrechnung ist ein ausgesprochen komplexes Gebilde – man könnte auch sagen, sie ist ein unglaublicher Wust an Vorschriften und Details. Ich persönlich habe viele Jahre gebraucht, um sie zu verstehen und benötige jedes Quartal Stunden, um auf dem Laufenden zu bleiben. Diese Stunden sind finanziell einträglicher, als in der gleichen Zeit Patienten zu behandeln. Da ich aber als Arzt auch Eigentümer einer Firma bin, habe ich nicht mehr nur Verantwortung für meine Patienten, sondern auch für mein eigenes Auskommen, das meiner Kollegen und die Arbeitsplätze meiner Angestellten.