Immer mehr Menschen ziehen sich ihre Gesundheitsinformationen aus dem Netz. Das bietet große Chancen – auch für die HIV-Prävention. Eine Themenübersicht für das Dossier „Prävention im Internet“ Teil 1
Pickel und Petting liegen uneinholbar vorne. Wer im Internet auf die Website Loveline.de surft, sieht sofort, welche Fragen junge Menschen bewegen. Ein Blick auf die Tag-Cloud genügt: Wie auf vielen Websites zeigt auch beim Jugendportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) eine Themenwolke an, welche Schlagworte von den Usern häufig angeklickt werden. Je interessanter, desto größer die Schrift. Pickel und Fummeln interessieren mehr als Intimrasur und Hormone.
Die Website ist ein gutes Beispiel dafür, wie Gesundheitsberatung im 21. Jahrhundert funktioniert: Wer Antworten sucht, googelt erst einmal.
Gesundheitsberatung im 21. Jahrhundert: Wer Antworten sucht, googelt erst einmal.
Das war im Jahr 2000 noch anders: Laut einer Allensbach-Studie zogen damals nur 7 Prozent der Deutschen ab 16 das Internet bei Gesundheitsfragen zu Rate. 2006 waren es bereits 46 Prozent. Gelangen sie bei der Suche auf ein Informationsportal, wollen sie auch unterhalten werden.
Auch auf Sextra.de kann man deshalb Aufklärungsvideos gucken, Karikaturen durchklicken und Grußpostkarten verschicken. Die Gimmicks auf der Website der pro-familia-Beratungsstellen dienen dem Ziel, über Liebe, Freundschaft und Sexualität aufzuklären. „Eine reine, nackte Beratungsseite funktioniert nicht“, betont Helmut Paschen. Der 49-jährige Sozialpädagoge ist stellvertretender Leiter von Sextra.de. Rund um das eigentliche Thema müsse man interessanten Stoff anbieten. „Sonst ist die Schwelle, eine Frage zu stellen, viel zu hoch.“
„Für Jugendliche ist Online-Beratung wichtiger als Face-to-face-Beratung“
Stimmt die Umgebung, fassen die Ratsuchenden schnell Vertrauen: Rund 20.000 Personen lassen sich jedes Jahr bei pro familia online beraten. 60.000 User haben sich registrieren lassen, um sich im Forum austauschen zu können. „Für Jugendliche ist die Online-Beratung weitaus wichtiger als die Face-to-face-Beratung“, sagt Helmut Paschen. „Die Angebote werden viel häufiger und bereits mit kleineren Anliegen genutzt.“ Auch einfache Fragen zum Kondomkauf würden ohne Scheu gestellt.
Das Gute am World Wide Web: Man erreicht fast alle Menschen. Bequeme, die sich einen Weg sparen wollen. Aber auch Unsichere, die einen gewissen Anlauf brauchen. „Oft kommen die Klienten erst nach zwei bis drei Mails mit ihrem Problem hinterm Busch hervor“, erklärt Bernard Dodier, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Onlineberatung (DGOB). Die Frage sei nur die „Eintrittskarte“ für eine Beratung.
In der Sicherheit des eigenen Wohnzimmers sind die Menschen mutiger
In der Sicherheit des eigenen Wohnzimmers sind die Menschen mutiger, fühlen sich sicherer als im Warteraum einer Beratungsstelle – vor allem bei Themen, die selbst im Freundeskreis tabu sind, zum Beispiel Sex oder eine HIV-Infektion. „Die User nutzen diese Online-Portale, weil sie genau dieses Setting schätzen“, berichtet Werner Bock, Fachlicher Leiter von aidshilfe-beratung.de. „Gerade die Anonymität des Netzes ermöglicht eine große Offenheit und Nähe zwischen Ratsuchenden und Berater.“
Die wenigsten Menschen interessierten sich – zumindest anfangs – für eine Vermittlung in die klassische Vor-Ort-Beratung, so Paschen. Diese kann aber besser sein, wenn ernsthafter Behandlungsbedarf besteht, zum Beispiel bei psychischen Erkrankungen. „Wir achten sehr genau darauf, ab wann eine Face-to-face-Beratung sinnvoll ist“, betont der Sextra-Fachmann.
Die Zufriedenheit der User spricht für die Online-Angebote. In einer Untersuchung von Sextra.de gaben 46 Prozent der User an, das Angebot gegebenenfalls an Freundinnen und Freunde weiterzuempfehlen zu wollen. 17 Prozent hatten es sogar schon getan.
Philip Eicker
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