Ein Tag ohne Strom

Der Wecker klingelt um 6 Uhr. Ich schwinge mich aus den Federn und drücke auf den Lichtschalter, doch es tut sich nichts. Das Haus bleibt dunkel. Die Glühbirne ist offensichtlich durchgebrannt, kann vorkommen. Vorsichtig taste ich mich ins Bad vor und versuche dort eine morgentliche Erleuchtung zu bekommen. Auch hier passiert nichts. Komisch. Gestern abend war doch noch alles in Ordnung. Was ist nur los? Ich wage einen Blick aus dem Fenster. Überall ist es dunkel, sogar die Straßenlaternen und Ampeln funktionieren nicht. Nur die Autos leuchten auf der Hauptstraße.

Ein Stromausfall? Da bin ich aber gar nicht vorbereitet. Wo ist denn meine Taschenlampe? Ich besitze doch eine. Mist, ich komme zu spät zum Dienst. Ich rasiere mich immer elektrisch, tja, das fällt wohl heute aus. Einen Nassrasierer habe ich nicht. Langsam bewege ich mich durch die dunkle Behausung. Kein Kaffee, kein Toast heute morgen. Auch kein Frühstücksradio. Schade.

Endlich finde ich meine Taschenlampe und suche mir meine Klamotten zusammen. Ist das Hemd noch sauber? Keine Ahnung. Unrasiert ziehe ich mir einen Müsliriegel rein. Ich friere erbärmlich. Warum geht denn die Heizung nicht? Zentralheizung! Natürlich auch ausgefallen. Wo sind meine Wagenschlüssel? Es ist spät, ich muss los.

Draußen herrscht ein Verkehrschaos, alle Ampeln der Stadt sind ausgefallen. Es gelten die Verkehrszeichen. Mit Verspätung treffe ich in der Praxis ein. Dort vertrete ich gerade den Inhaber für 2 Wochen. Auch dort alles dunkel. Die ersten Patienten stehen vor der Tür. Alle tragen Taschenlampen. Hoffentlich geht bald die Sonne auf. Oh nein. Die Computer, die funktionieren ja auch alle nicht. Also ist wieder gute alte Schreibarbeit gefragt. Jedes Rezept und jede Überweisung wird im Kerzenschein ausgefüllt. Das dauert ewig. Ungeduld macht sich breit.

Alle medizinischen Apparate streiken. Ich kann keinerlei Diagnostik betreiben. Ich muss doch tatsächlich meine Hände und den Verstand einsetzen. Ultraschall, BelastungsEKG, alles ein Haufen Schrott ohne Strom. Ich versuche mit dem Stethoskop eine Herzrhythmusstörung richtig einzuschätzen. Das Telefon läutet nicht, daher kommen alle Patienten auf gut Glück in der Praxis vorbei. Ein grauenhafter Tag.

Als ich abends nach Hause komme, ist es bereits wieder dunkel. Ich würde gerne etwas aus dem Kühlschrank holen, doch mit Entsetzen stelle ich fest, dass vieles schon verdorben ist. Das Bier ist auch warm. Eigentlich wollte ich noch etwas Bloggen, aber ich kann nicht. Mein Handy? Die Akkus sind fast leer, gerade heute! Wann kommt denn endlich der Strom wieder? ich sitze hier ganz allein bei einem Stück Brot mit Honig im Kerzenschein. Ich hole die Gitarre hervor und spiele ein kleines Liedchen. Was meine Nachbarn wohl gerade so machen?

Ich trete auf die Straße hinaus und bewundere den kristallklaren Sternenhimmel. Einige Menschen haben sich versammelt und unterhalten sich angeregt. Ein Lagerfeuerchen brennt im Stadtpark. Eigentlich ganz romantisch. Dann, plötzlich, ist die Stadt auf einen Schlag wieder hell erleuchtet. Als ob nichts gewesen wäre. Die Elektrizität ist zurück, endlich. Ich muss sofort ins Haus um etwas am Laptop zu erledigen. Doch ich halte inne, denke nach und bleibe noch eine Weile am Feuer stehen …

 

Artikel von: Monsterdoc

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