Anmerkungen zum Welt-Tuberkulose-Tag von Peter Wiessner
Am 24. März 1882 entdeckte Robert Koch das Tuberkulose-Bakterium. Seit dem 100. Jahrestag seiner Entdeckung wird an diesem Datum der Welt-Tuberkulose-Tag begangen.
Deutschland würde es gut zu Gesicht stehen, an diesem Tag an die Errungenschaften Robert Kochs zu erinnern: Er schuf nicht nur die Grundlagen zur Behandlung von Tuberkulose, sondern revolutionierte die Medizin insgesamt und stärkte den Ruf Deutschlands als Standort der wissenschaftlichen Innovation.
Daran ließe sich am Welt-Tuberkulose-Tag anknüpfen, zum Beispiel durch einen staatlichen Robert-Koch-Preis für innovative Tuberkulose-Projekte oder durch tatkräftige Unterstützung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Leider ist ein solches Engagement zurzeit nicht in Sicht.
Tuberkulose, HIV/Aids und Malaria hängen eng zusammen
Tuberkulose ist bei Menschen mit HIV weltweit heute eine der Haupttodesursachen. Dabei gehört die Krankheit neben HIV/Aids und Malaria zu den Infektionen, deren Verbreitung durch Behandlung und Prävention radikal eingedämmt werden könnte. Voraussetzung wäre allerdings eine gerechte Verteilung von Ressourcen. Tuberkulose ist vor allem ein Problem der Armen: 95 Prozent der Neuerkrankungen finden in Regionen statt, wo Menschen täglich ums Überleben kämpfen und auf erschwingliche Medikamente angewiesen sind. Alleine in Indien leben mehr als 800 Millionen Menschen von weniger als zwei Euro Tageseinkommen beziehungsweise, wie es im glattgebügeltem Neudeutsch heißt, „unterhalb der Armutsgrenze“.
Dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria sind diese Zusammenhänge bekannt, seine Bestrebungen richten sich deshalb mit gutem Grund auf diese drei Krankheiten. Der Fonds fordert und fördert preiswerte Medikamente und den Einsatz preiswerter Nachahmerpräparate.
Kämpft unser Entwicklungsminister gegen den Globalen Fonds?
Der Globale Fonds wird von Fachkräften und internationalen Institutionen als die erfolgreichste globale Gesundheitsinitiative angesehen, die es bisher gegeben hat. Seit seiner Gründung im Jahr 2002 hat er über 13 Milliarden Dollar für HIV-, Tuberkulose- und Malaria-Projekte in 145 Ländern ausgegeben. Wer Interesse an der Förderung von Entwicklung und Zusammenarbeit hat, sollte diesen Kampf eigentlich unterstützen.
Doch weit gefehlt! Bundesentwicklungsminister Niebel lässt derzeit keine Gelegenheit ungenutzt, die Bestrebungen des Globalen Fonds zu torpedieren. Zugespitzt könnte man sagen: Der Kampf des Bundesentwicklungsministers richtet sich nicht gegen Aids, Tuberkulose und Malaria, sondern gegen den Globalen Fonds.
Dabei scheint ihm jegliches Augenmaß abhanden gekommen zu sein. Der bislang letzte Akt dieses Trauerspiels ist die Aussetzung der Zahlung von 200 Millionen Euro, die bereits für 2010 zugesagt waren. Niebel will das Geld einbehalten, bis Korruptionsfälle aufgeklärt sind, die der Globale Fonds im November 2010 selbst aufgedeckt und unverzüglich angezeigt hat (aidshilfe.de berichtete). Es handelt sich um 34 Millionen Dollar, die durch Mauretanien, Mali, Djibouti und Sambia veruntreut wurden.
Die Summe macht gerade mal 0,3 Prozent der durch den Globalen Fonds verwalteten Gelder aus. Dass Korruption bekämpft werden muss, ist selbstverständlich. Dass aber der Globale Fonds nun gerade wegen seiner Offenheit und Transparenz abgestraft wird, ist nicht akzeptabel. Die Reaktion von Niebel wird zu Recht als maßlos und überzogen kritisiert.
Niebel als Kassenwart deutscher Steuergelder
Der Minister präsentiert sich nun als verantwortungsvoller Verwalter deutscher Steuergelder. Dabei lagen ihm die Berichte über die Korruption schon im November 2010 vor. Doch erst nach einer Pressemeldung in der Associated Press vom 24. Januar 2011 und darauf folgenden reißerischen Artikeln in Boulevardblättern verfügte Niebel den Auszahlungsstopp, um den missliebigen Globalen Fonds unter Druck zu setzen.
Als Hintergrund muss man wissen, dass Dirk Niebel, bevor er ins Entwicklungsministerium berufen wurde, eben dieses Ministerium komplett abschaffen wollte. Seine Antipathie gegenüber dem Globalen Fonds hat er auch im letzten Jahr vor der Millenniumskonferenz der Vereinten Nationen zum Ausdruck gebracht. Er wollte bilateralen Entwicklungsprojekten den Vorzug geben.
Ein Rückzug vom Globalen Fonds gefährdet Menschenleben
Festzuhalten ist: Wenn Kanzlerin Angela Merkel nicht die Notbremse zieht, gefährdet der Zahlungsstopp allein im kommenden Jahr rund 43.000 Menschenleben. Das berichtete kürzlich die Welt am Sonntag unter Berufung auf interne Berechnungen des Globalen Fonds. 252.000 Menschen würden demnach keine HIV-Medikamente mehr bekommen. 35.000 Mütter würden keine Prophylaxe zur Mutter-Kind-Übertragung von HIV erhalten, 6,3 Millionen Moskitonetze könnten nicht ausgeteilt und 227.000 Erstbehandlungen für Tuberkulosekranke nicht eingeleitet werden.
Kaum abzusehen sind außerdem die Folgen, die ein Rückzug Deutschlands als drittgrößter Geldgeber des Fonds haben könnte – die Signalwirkung wäre fatal.
Nicht gegen den Fonds, sondern mit ihm!
Der Globale Fonds hat vor wenigen Tagen ein unabhängiges Gremium zur Revision seiner Finanzkontrollmechanismen beauftragt. Den Vorsitz des Gremiums haben der hochangesehene ehemalige US Gesundheitsminister Michael O. Leavitt und der ehemalige Präsident von Botswana, Festus Mogae inne. Ziel ist es, den Korruptionsschutz und die finanziellen Kontrollen als wesentliche Elemente des Globalen Fonds noch besser zu gestalten. Kurz: Wie der Globale Fonds das Thema Korruption angeht, ist vorbildlich. Umso mehr steht Entwicklungshilfeminister Niebel in der Pflicht, der deutschen Verantwortung für den Kampf gegen HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose gerecht zu werden. Es bleibt zu hoffen, dass er den Welt-Tuberkulose-Tag zu einer Kehrtwende nutzt: Nicht gegen, sondern mit dem Globalen Fonds im Kampf gegen Aids, Malaria und Tuberkulose, muss die Devise lauten.