Da habe ich erst kürzlich noch gesagt, dass die Schweizer offensichtlich vernünftiger seien, was Panikreaktionen und den Kauf von Kaliumiodid Tabletten angeht … ich muss es wieder zurücknehmen.
Erst bekomme ich ein Telefon in die Apotheke von einem Radio, das nachfragt, ob wir schon viele Anfragen nach den Iod-Tabletten habe – was ich verneine: „Noch keine einzige.“ Und eine halbe Stunde später steht eine Kundin in der Apotheke und will das unbedingt haben. Und inzwischen hatte ich noch mehr.
Darum also aus aktuellem Anlass dieser Blogpost – damit das auch einmal von Apotheker-Seite dargestellt ist.
1. Das Problem liegt in Japan, das mit den Brüchen von inzwischen mehreren Atomreaktorkernen und entsprechend freigesetzter Strahlung und radioaktiven Elementen wie Jod und Cäsium schwer zu kämpfen hat. Japan hat die Umgebung (inzwischen bis 50km im Umkreis um das AKW evakuiert) und gibt an die betroffene Bevölkerung Kaliumiodid-Tabletten ab. Japan ist allerdings mehrere Tausend Kilometer entfernt und dass die Schweiz – oder Deutschland oder Österreich überhaupt erhöhte Strahlung abbekommen ist nicht gross zu erwarten.
2. Kaliumiodid Tabletten sind kein Wundermittel und wirken auch nicht langfristig vorbeugend! Man nimmt die Tabletten maximal wenige Stunden vor bis gleichzeitig mit der höheren Belastung durch radioaktives Iod. Das Iodid in den Tabletten soll dabei verhindern, dass die Schilddrüse radioaktives Iod aufnimmt – durch Übersättigung sozusagen. Wenn man die Tabletten nimmt ohne dass eine aktuelle Bedrohung vorhanden ist, ist der Schaden wahrscheinlich sogar grösser als der Nutzen. Als Nebenwirkung für soviel Iod wie in den Tabletten kann es zu Erbrechen, Durchfall, Magenbeschwerden, Haut- und Schleimhautreaktionen, Bindehautentzündung, schmerzhafte Speicheldrüsenschwellung, starke Kopfschmerzen, produktiver Husten, Bronchitis,Herzklopfen, Ruhelosigkeit, Überempfindlichkeitsreaktionen wie Fieber, Iodschnupfen, Ausschläge etc. kommen.
Auch darum sollten die Tabletten – obwohl sie Liste C und freiverkäuflich sind – nur auf Anordnung der Behörden eingenommen werden und nicht einfach so!
3. Es gibt genug Tabletten und es gibt keinen Grund zu hamstern. In der Schweiz ist es so, dass diejenigen im Umkreis von AKWs sie schon zuhause haben– offenbar bekommt man die bei der Anmeldung vom Wohnkanton. Ausserdem haben Schulen, Behörden und Apotheken welche im Vorrat für den Notfall, die sie dann abgeben. Und die Staatsbehörden haben noch viel mehr gelagert. Nochmals: für den Notfall. Alle Info hier: www.kaliumiodid.ch
In Deutschland übernehmen die Behörden im Event das Verteilen (obwohl sie inzwischen die Apotheken auch einbeziehen möchten). Deutschland hat in 8 Depots rund 137 Millionen Dosen vorrätig. Also auch hier kein Grund Jodtabletten (auch nicht freiverkäufliche) zu hamstern – die werden auch für Leute mit Schilddrüsenproblemen gebraucht.
In Österreich ist Kaliumiodid auch in den Schulen vorhanden, ausserdem kann man sie via Apotheken beziehen im Notfall – offenbar auch für den Vorrat zu Hause. Von der Einnahme jetzt wird aber auch hier abgeraten. Interessant: Offenbar sind die Packungen 2009 abgelaufen – aber das macht nichts. Wie ich hier schon schrieb, sind die durchaus länger haltbar – mindestens bis Ende 2011 (real wahrscheinlich länger)
In meiner Apotheke haben wir ein paar Packungen vorrätig – aber ich gebe sie nicht an die Kundschaft ab. Warum? Weil sie für den Notfall gedacht sind. Die einzige Ausnahme wäre, wenn die Person nach Japan (oder in die Nähe: Ostrussland, China, Korea, Taiwan) reisen muss und das als Notfallpaket dabeihaben will. Oder vielleicht noch, wenn es für Freunde / Verwandte in Japan gedacht ist … wobei: die haben dort Tabletten und bekommen sie auch … und: man muss dabei auch bedenken, dass der Empfänger eventuell die Packungsbeilage nicht lesen kann und sie dann falsch nimmt.
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