Paul und der Schellong-Test

„Schön hast Du das gemacht!“
Gerade hat Paul ein Blatt Papier vor mich hingelegt. Wirklich, der Junge ist Gold wert!
PJler sind schon eine feine Sache, da sollte es mehr von geben.
Paul nimmt sich einen Stuhl und setzt sich neben mich.
„Und was bedeutet das jetzt?“ fragt er.
Also gut.
„Schau mal. Du hast also einen Schellong-Test gemacht. Frau Bensheim ist zu Hause kollabiert, und wir wollen wissen warum. Unsere Arbeitdiagnose ist Orthostase. Du weißt, was das ist?“
Fragender Blick zu Paul. Der nickt. Klar, ist ja ein kluger Student!
„Orthostase heißt, vereinfacht ausgedrückt, dass das Blut aus dem Kopf verschwindet und im Körper versackt, wenn man aus dem Sitzen oder Liegen aufsteht. Dann wird einem schwindelig und man kann kollabieren. So ungefähr erkläre ich es jedenfalls den Patienten. Den pathophysiologischen Mechanismus dahinter habe ich irgendwann mal gelernt und vergessen, aber Du wirst das sicher noch wissen!“
Paul nickt.
„So, jetzt hast Du also mehrfach Blutdruck und Puls gemessen. Zuerst im Liegen, dann im Stehen, dann wieder im Liegen. Und alles schön aufgeschrieben…“
Eine echte Fleißaufgabe. Und ziemlich zeitraubend. Deswegen schenke ich mir die Prozedur normalerweise, weil nämlich in der Regel eh nichts dabei herauskommt. Aber das weiß Paul ja noch nicht. Und weil der Oberarzt es angeordnet hat, ist das eine schöne Beschäftigungstherapie.
„Und was ist jetzt herausgekommen?“
„Also, wenn es wirklich Orthostase ist, dann fällt der Blutdruck charakteristischerweise im Stehen ab und steigt dann später wieder an…“
Paul schaut stirnrunzelnd auf seine gemessenen Werte.
„Scheint aber hier nicht der Fall zu sein. Was hat die Patientin dann?“
„Sie ist zu Hause kollabiert.“
„Und wir wissen noch immer nicht, weshalb?“
„Nein.“
„Und wie kriegen wir das heraus?“
„Meistens gar nicht!“
„Dann war der Krankenhausaufenthalt also im Grunde völlig für die Katz…?“
„Nun, so einfach ist das auch wieder nicht… ich glaube, es ist Zeit für eine kleine Märchenstunde?“
„Märchenstunde?!“
„Genau. Lass uns in die Küche gehen auf einen Kaffee, dann erzähle ich Dir eine kleine Geschichte…“

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