Brustimplantate wurden in jüngster Vergangenheit bei einer kleinen Anzahl von Frauen mit einer selten Form eines schmerzlosen non-Hodgkin Lymphoms in Verbindung gebracht – eine Tatsache, die zu einer erheblichen Verunsicherung in der Fachwelt geführt hat. Bisweilen wurde auch der Vorwurf laut, ästhetische Chirurgen würden ihre Patientinnen mit Falschaussagen zum Risiko eines Brustimplantates täuschen.
Im Januar wurde die Fachwelt durch einen Bericht der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) aufgeschreckt, wonach bei weltweit 34 bestätigten Fällen ein anaplastischen grosszelliges Lymphom (ALCL) nach Brustvergrösserung mit Implantaten diagnostiziert wurde.
„Weil das Risiko eines ALCL sehr klein zu sein scheint, glaubt die FDA weiterhin, dass die Gesamtheit der bisherigen Befunde die Aussage erlaubt, dass von der FDA bewilligte Implantate sicher und effizient sind, wenn sie gemäss offiziellem Verwendungszweck eingesetzt werden,“ sagte die Behörde in ihrem Communiqué.
Aber bereits einen Monate später wurde die FDA von zwei Ärzten der Organisation „Public Citizen“ darüber in Kenntnis gesetzt, dass den ästhetisch arbeitenden Ärzten in einem Webinar, das von zwei der grössten amerikanischen Organisationen für plastische Chirurgie gesponsert wurde, der Rat erteilt wurde, das Risiko eines ALCL bei den Patientinnen so verharmlosen, indem die beratenden Ärzte eher von einem „Zustand“ als von einem „Krebs“ oder einem „Tumor“ sprechen sollten.
Die beiden beteiligten Organisationen für plastische Chirurgie, die American Society for Aesthetic and Plastic Surgery und die American Society of Plastic Surgeons (ASPS) wiesen den Vorwurf entschieden zurück, sie würden die Patientinnen falsch informieren wollen. Ihre Motivation sei vielmehr gewesen, den Ärzten Hilfestellung bei der angemessenen Beratung der Patientinnen zu leisten.
„Die ASPS und die FDA vertreten beide die Meinung, dass es sich bei dieser seltenen Form eines Lymphoms nicht um Brustkrebs handelt. Aus den schätzungsweise 10 Millionen Implantaten, die weltweit eingesetzt wurden, resultierten lediglich 34 Fälle von ALCL seit 1989,“ steht auf der Seite der ASPS.
„Die ASPS vertritt natürlich die gleichen Grundsätze bezüglich der Sicherheit der Patienten, wie die FDA,“ meinte Phillip Haeck, Präsident der Standesorganisation in einer Pressemitteilung, „wir wollen aber auch sicherstellen, dass unserer Patientinnen nicht unnötig verängstigt werden“. Die ASPS hat sich denn auch bereit erklärt mit der FDA ein zentrales Register über alle Brustimplantat-Empfängerinnen zu erstellen, um jederzeit Problemfälle aufdecken zu können.
Die Untersuchung aller bekannten 36 Fälle von non-Hodgkins Lymphom bei Frauen mit Brustimplantaten zeigte einige Ähnlichkeiten:
a) Die meisten Fälle waren ein ALCL und typischerweise durch die Präsenz eines Seroms in der fibrösen Kapsel um das Implantat herum gekennzeichnet.
b) Andere Typen von Lymphomen in dieser Gruppe waren follikuläre Lymphome, lymphoplasmazystische Lymphome und Fälle von Sézary Syndrom.
c) Unter den Patientinnen, von denen Follow-up Daten bekannt sind, gab es bei 75% keine Rückfälle und alle waren noch am Leben.
Beim anaplastischen grosszelligen Lymphom unterscheidet man histologisch (gewebsspezifisch) zwischen zwei Typen: einer systemischen Erkrankung mit Lymphknotenbefall und Befall ausserhalb der Lymphknoten und einer primär kutanen Erkrankung, die normalerweise auf die Haut beschränkt bleibt.
Ausser der klinischen Präsentation gibt es bei den zwei Subtypen auch histologische Unterschiede. Ein spezifischer Enzym-Rezeptor, der Tyrosin-Kinase Rezeptor ALK kommt beinahe ausschliesslich in der systemischen Form vor. Die systemische ALK-negative Form ist noch weitgehend unverstanden. Die Überlebensrate liegt aber mit lediglich 50% Überlebenden nach fünf Jahren deutlich unter den 70%, die man bei der ALK-positiven Form sieht.
Erstaunlicherweise hatten alle Frauen, von denen eine Histologie vorliegt, den ALK-negativen Typ und dennoch ist bislang keine von ihnen verstorben. Einige Forscher haben daher vorgeschlagen, die ALK-negative Form, die im Zusammenhang mit einem Brustimplantat entsteht, eher dem kutanen Typ zuzuordnen, der eine deutlich bessere Prognose hat.
Die Therapie wäre dann deutlich einfacher und würde lediglich darin bestehen, das betroffene Implantat zusammen mit der Kapsel auszutauschen. Für die Frauen, die sonst einer Chemotherapie mit oder ohne Strahlentherapie zugeordnet würden, sicherlich eine grosse Erleichterung.