Hausarzt Dr. Kunzes Praxisalltag 3

Der Sonntags-Blinddarm Teil 3
Vierzehn Tage später sehe ich Frau G. wieder. Sie sitzt mir in der Praxis gegenüber und hat zwei schwere Wochen hinter sich. Sie ist blass und wirkt angeschlagen. Zunächst berichtet sie vom Abend der Einlieferung.
Zur Erinnerung: Ich hatte sie mit der Diagnose „Appendizitis acuta mit Verdacht auf Perforation“ eingewiesen. Ich glaubte also, ihr Blinddarm sei hoch entzündet und wahrscheinlich durchbrochen.
Frau G. brachte eine knappe Stunde auf einer Trage im Aufnahmeraum des Krankenhauses zu, bevor sie den ersten Arzt zu sehen bekam. Es folgte jede Menge Papierkram, eine Blutentnahme, eine Röntgenaufnahme vom Bauch, sowie eine Ultraschalluntersuchung. Es waren fast zwei Stunden vergangen, da tauchte eine Ärztin zur erneuten Blutentnahme auf. Die Entzündungswerte seien sehr hoch, und sie wüssten nicht woher das käme, so die Aussage der Ärztin.
Frau G., meine einfach denkende Patientin, fragte die Ärztin daraufhin, ob sie den Einweisungsschein ihres Hausarztes nicht gelesen hätte, da stände doch alles drauf. Ihr Blinddarm sei entzündet und vielleicht sogar geplatzt.
Diese Eingabe kam vollkommen ohne Hintergedanken, aber eben auch ohne jegliche Diplomatie. Wenn Frau G. in der Lage gewesen wäre, Mimik und Gestik zu interpretieren, hätte sie wohl ein „Pfft, Hausarzt!“ erkannt. Kurz um, es dauerte noch bis morgens um sechs Uhr, also etwa neun Stunden von dem Zeitpunkt, an dem sich Frau G. vom Sofa auf die Trage hatte helfen lassen, bis sie in den Operationssaal geschoben wurde.
Die Einweisungsdiagnose und der von mir darüber hinaus geäußerte Verdacht des Durchbruchs trafen zu. Wie gesagt, das war keine hohe Kunst der Medizin, das lag auf der Hand.
Frau G.s Nacht bis zum Morgen der OP war eine Qual. Einerseits durfte sie natürlich kein potentes Schmerzmittel bekommen, um den Zustand nicht zu verschleiern, andererseits verzögerten Untersuchungen (sie wurde noch einmal in die Röntgenabteilung gefahren) und Organisationsablauf die einzig richtige Tat – die Operation.
Neben der unnötigen Pein, die die Patientin ertragen musste, bin ich der festen Ansicht (das lässt sich allerdings nicht beweisen), dass gerade die letzten Stunden, die Rekonvaleszenz, also die Erholung der Patientin nach der Krankheit, beträchtlich in die Länge ziehen.

Lesen Sie in der nächsten Woche meinen Kommentar zu dieser kleinen Artikelserie.

Liebe Grüße, Ihr Hausarzt Dr. Kunze

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