Operieren oder… lieber doch nicht?

„Wieso ist Frau Höbelmann dann doch noch unter’s Messer gekommen, obwohl sie gar nicht wollte?“ frage ich.
Martin wischt sich mit einer Serviette den Mund ab.
„Eines Morgens war sie völlig durch den Wind!“ sagt er, „Bis dahin war sie ja bekanntlich zwar ein wenig störrisch, aber so drauf, dass man im Prinzip ganz normal mit ihr hatte reden können. Jetzt aber hat sie plötzlich nur noch herumgeschrien, gebrüllt und getobt und dummes Zeug gesprochen.“
„Kam das vielleicht durch den Infekt?“
Martin nickt heftig.
„Klarer Fall. Durchgangssyndrom. Sepsis. Vierzig Fieber und Entzündungswerte bis zum Gehtnichtmehr. Oberarzt Biestig hat die Angehörigen angerufen und gesagt: der Fuß muss ab.“
„Und die waren jetzt einverstanden?“
„Sie haben unterschrieben. Das war die Hauptsache. Dann haben wir die Oma in den OP gerollt. Und was soll ich sagen: Der Fuß war nur noch Matsch. Biestig wollte jetzt den gesamten Oberschenkel amputieren, zur Sicherheit, erstens geht das einfacher und zweitens heilt das besser, wenn die Infektion soweit fortgschritten ist. Dann aber ist ihm eingefallen, dass die Angehörigen ja nur für die Vorfußamputation unterschrieben hatten, und jetzt war von denen niemand mehr greifbar. Also haben wir es beim Vorfuß belassen.“
„Und dann?“
„Die Operation hat sie überlebt. Aber damit war der Infektfokus ja noch nicht beseitigt…. das Fieber ist geblieben und irgendwann war dann Ende im Gelände.“
Martin steht auf und schiebt sein Essenstablett in den dafür vorgesehenen Wagen.
„So ist es halt!“ sagt er mit gespieltem Mitleid, „Manchmal kannst Du halt nicht gewinnen!“
„Und wenn ihr den Oberschenkel amputiert hättet?“
„Dann wäre sie noch am Leben!“ die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen, vielleicht etwas zu schnell.
Dann zuckt er mit den Schultern.
„Oder auch nicht!“ sagt er und verschwindet in Richtung Aufzug, „Ist ja eigentlich auch egal…“

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