Ich liebe dieses Buch!
Es hat eine ganze Weile gedauert, es fertigzulesen, weil ich fast ausschließlich unterwegs (also in Bus und Bahn, keine Angst!) darin gelesen habe, aber ich habe jede Sekunde genossen und jede Menge Tränen gelacht.
Wie der Titel schon fast erraten lässt, handelt Stiff: The Curious Lives of Human Cadavers davon, für welche Zwecke Leichen (und Leichenteile) verwendet wurden und immer noch werden. Elf der zwölf Kapitel widmen sich jeweils einem speziellen „Verwendungszweck“, darunter Organspende, die berühmte Körperfarm in Tennessee, Belastungstests für die Autoindustrie, und und und:
A head is a terrible thing to waste
Practicing surgery on the deadCrimes of anatomy
Body snatching and other sordid tales from the dawn of human dissectionLife after death
On human decay and what can be done about itDead man driving
Human crash test dummies and the ghastly, necessary science of impact toleranceBeyond the black box
When the bodies of the passengers must tell the story of a crashThe cadavers who joined the army
The sticky ethics of bullets and bombsHoly Cadaver
The crucifixion experimentsHow to know if you’re dead
Beating-heart cadavers, live burial, and the scientific search for the soulJust a head
Decapitation, reanimation, and the human head transplantEat me
Medicinal cannibalism and the case of human dumplingsOut of the fire, into the compost bin
And other new ways to end upRemains of the author
Will she or won’t she?
Das letzte, kurze Kapitel beeinhaltet die Einstellung der Autorin zur Körperspende und verrät, ob sie es selber machen wird oder nicht. ; )
Die zwölf Hauptkapitel sind jeweils zwischen 20 und 30 Seiten lang und sehr kurzweilig geschrieben. Da jedes Kapitel sich einem anderen, eigenständigen Thema widmet, müssen sie nicht unbedingt in der Reihenfolge gelesen werden, in der sie angeordnet sind.
Wer also z.B. (passend zu Ostern *g*) als erstes das Kapitel „Holy Cadaver – the crucifixion experiments“ lesen möchte, kann die sechs vorangehenden Kapitel problemlos überspringen.
Stiff ist herrlich humorvoll geschrieben, und bereits im ersten Kapitel (Mary Roach berichtet darin von ihrem Besuch bei einem Übungsseminar für Chirurgen, in dem an abgetrennten Köpfen rumgeschnippelt wurde) bin ich an der Bushaltestelle vor Lachen so dermaßen zusammengebrochen, dass ich von den Mitwartenden einige seeeehr seltsame Blicke geerntet habe. xD
At Marilena’s hospital, surgeons typically get body parts only when there’s been an amputation. Given the frequency of human head amputations, an opportunity like today’s would be virtually nonexistent outside of a seminar.
Allerdings ist das Buch nicht nur lustig, sondern auch echt lehrreich. Ich wusste vorher jedenfalls nicht, dass Crashtests mit Dummies nur deswegen möglich sind, weil die Belastungsgrenzen vorher mithilfe von Leichen ermittelt wurden. Den Dreipunkt-Sicherheitsgurt, nichtsplitternde Windschutzscheiben und den Airbag zum Beispiel haben wir solchen Tests zu verdanken.
Albert King calculated that vehicle safety improvements that have come about as a result of cadaver research have saved an estimated 8,500 lives each year since 1987. For every cadaver that rode the crash sleds to test the three-point seat belts, 61 lives per year have been saved. For every cadaver that took an air bag in the face, 147 people per year survive otherwise fatal head-ons. For every corpse whose head has hammered a windshield, 68 lives per year are saved.
Danke, liebe Körperspender!
Es gibt allerdings auch eklige Passagen. Einmal (im Kapitel „Life after death“ über die Körperfarm in Tennessee) war ich wirklich kurz davor, mich zu übergeben – nur der Gedanke daran, dass es einen äußerst schlechten Eindruck machen könnte, sich am Aschermittwochsmorgen im Bus zu übergeben, hat meine Selbstbeherrschung gestärkt. ; )
„One day last summer,“ he says weakly, „I inhaled a fly. I could feel it buzzing down my throat.“
und zwei Sätze später
„You want a vivid description of what’s going through my brain as I’m cutting through a liver and all these larvae are spilling out all over me and juice pops out of the intestines?“
… sollte man sich besser nicht zu detailgetreu vorstellen. *würg*
Sogar die Fußnoten sind sehr lesenswert und im selben humorigen Stil geschrieben, meine beiden Favoriten sind im Kapitel „How to know if you’re dead“, als es um die berühmten Glöckchen ging, die Scheintote davor bewahren sollten, lebendig begraben zu werden:
I read on a Web site somewhere that this was the origin of the saying „Saved by the bell.“ In fact, by one reckoning, not a single corpse of the million-plus sent to waiting mortuaries over a twenty-year period awakened. If the bell alerted the attendant, which it often did, it was due to the corpse shifting and collapsing as it decomposed. This was the origin of the saying „Driven to seek new employment by the bell,“ which you don’t hear much anymore and probably never did, because I made it up.
und, als im selben Kapitel zum Philosophen Girolamo Pontano folgende Fußnote zu finden war:
I’d never heard of him, either.
(Bei dieser Fußnote wäre ich fast an meinem Schluck Kaffee ertrunken!)
Also, von meiner Seite aus eine klare Leseempfehlung!
Stiff : The Curious Lives of Human Cadavers gibts für unter 10€ bei Amazon, die deutsche Version heißt „Die fabelhafte Welt der Leichen“ und ist leider nicht mehr lieferbar. Wer sich dafür interessiert, wird vielleicht auf ebay oder in modernen Antiquariaten fündig – oder versucht sich doch mal am englischen Original (die sind eh immer besser als die Übersetzungen). Es lohnt sich wirklich!
Ich bin so begeistert von diesem Buch, dass ich kurzerhand zwei weitere Bücher der Autorin gekauft habe (eine direkte Fortsetzung von Stiff gibt es ja leider nicht.): Spook: Science Tackles the Afterlife und Six Feet Over: Adventures in the Afterlife. :’)
Viel Spaß beim Lesen, und teilt mir doch mit, wie das Buch euch gefällt! : )
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