smalltalk

sitzen mir schräg gegenüber in der u- oder s-bahn oder bus: zwei ich-schätze-mittfünfzigerinnen, no.1 etwas rund, im grünen trachtenjanker, darüber aber ein erstaunlich buntes batiktuch, kurze, grau-weiße haare, halbrunde rotgefasste brille, no.2 komplett in jeansuniform, im vergleich paar rundungen dünner, pferdeschwanz, anti-akw-plakette.

no.2: „und das ist jetzt dein neuer flyer?“
no.1: „ja, nett oder? hat mir der willi gemacht, am pc, drucken die bei copyshopy ganz günstig raus.“
no.2: „doch, wirklich schön. auch so das pastellige da. und der buddha.“
no.1: „weißt, jetzt hab ich die praxis ja schon ´n halbes jahr, da musste schon ein bissel marketing machen.“
no.2: „aber sonst läuft´s?“
no.1: „jaja. doch doch. die leute wollen ja zum heilpraktiker. die ärzte machen doch nur ihr schulmedizinisches zeugs. aber seitdem ich auch des reiki anbiete – ich sag dir: spitze. und die homöopathie läuft eh alleine.“
no.2: „gibts denn auch was schwieriges?“
no.1: „naa. eigentlich nicht. letztens war so´ne mutter mit´m kind da…“
jetzt werde ich aufmerksamer und spitze die öhrchen.
no.1: „… war ganz pickelig die kleine. von kopf bis fuss. so richtig neurodermitismäßig, weißte? ich hab dann mal eine störfeldsuche gemacht – musst du einfach machen in so einem fall – und klar: die hatte ja auch schon ihre impfungen bekommen. drei stück in drei monaten! schlimm ist das. was die leute den kindern so antun…“
jetzt wird´s aber interessant. doch leider: mist, sie stehen auf und steigen aus. grad jetzt, wo es spannend wird.
no.2 (beim aufstehen): „kann man da denn noch was machen?“
no.1 (beim drücken des halteknopfs): „hajaa! ich habe dann mal eine ausleitung gemacht und staphisagria und sulfur in d12 mitgegeben. wird schon. ich denke, man kann dem kind schon noch helfen…“
und sie steigen aus.

(und ich springe auf, lasse meinen bowlingabend bowlingabend sein, steige mit aus, gebe mich zu erkennen und verbringe den restlichen abend mit heißen diskussionen an der bahnsteigkante über den blödsinn, der hierzulande über eltern und die armen kinder ergossen wird) nein. ich lasse sie ziehen. ich feiger schulmediziner.

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