Kommentar zum Dreiteiler „Der Sonntags-Blinddarm“ 2. Teil
Im Folgenden möchte ich eine kleine Sektion der zurückliegenden Geschichte durchführen und damit das Besondere an der hausärztlichen Medizin hervorheben.
1. Der Patienten-Arzt-Kontakt beginnt mit dem Telefonat zwischen dem Hausarzt und der Patientin.
Die Entscheidung Dr. Kunzes, Frau G. zu besuchen, fällt allein aus seiner Erfahrung heraus. Er besitzt den unschätzbaren Vorteil eines langjährigen Hausarztes, die Patienten zu kennen. Er weiß, dass ihre Not groß sein muss, wenn sie am Sonntag zum Telefon greift und den Notdienst anruft. Diese Tatsache allein reicht Dr. Kunze, die Entscheidung um einen abendlichen Hausbesuch zu fällen, auch wenn der natürlich lästig ist.
Übrigens, dies nur nebenbei, wenn wir in Zukunft auf den Beruf eines Hausarztes verzichten wollen oder müssen, verzichten wir auch auf derlei Qualitäten. Ein Arzt in einer Ambulanz oder in einer Art Polyklinik wird nur die wenigsten Patienten richtig kennenlernen.
2. Als Dr. Kunze die Patientin sieht, erkennt er sofort, wie krank sie ist, weil er sie kennt. Ihre normalerweise rosige Haut ist blass und schwitzig und die klaren Augen wirken trüb. Blässe, sonst ein sehr unzuverlässiges Kriterium, kann im Vergleich wegweisend sein. Andererseits sieht der Arzt auf Anhieb, dass die Patientin keinen Gewichtsverlust im bedeutendem Ausmaß erlitten hat, eine nicht unerhebliche Erkenntnis im Zusammenhang mit einer unklaren Baucherkrankung.
3. Dr. Kunze hört der Patientin zu, lässt sie genau die Entstehungsgeschichte ihres Krankheitsbildes erklären und gelangt so, innerhalb kurzer Zeit zu wichtigen Erkenntnissen. Zuhören und präzise Fragen stellen, kosten nicht nur Zeit, sondern sparen sie auch in vielen Fällen. Viele Patienten wollen ihrem Arzt die Diagnose verraten, geradezu erklären (unbewusst), wenn man sie nur lassen würde.
Dies ist eine Möglichkeit, wie man als Arzt sein Gehör nutzen kann.
4. Es folgt der Einsatz der Hände. Sie untersuchen den Bauch, stellen Druckschmerz und Abwehrspannung an wegweisenden Punkten fest.
5. Schließlich kommen die ärztlichen Ohren abermals zum Einsatz. Mittels Stethoskop stellt der Arzt Grabesstille im Bauchraum fest. Ein Alarmzeichen.
Augen, Ohren und Hände des Arztes sollten auch in modernen Zeiten eine wichtige Rolle spielen. Darüber hinaus ist an jedem einzelnen Tag in der hausärztlichen Sprechstunde erkennbar, wie wichtig es ist, dass Arzt und Patient sich kennenlernen können.
Das intensive Patienten-Arzt-Verhältnis geht in der Krankenhausmedizin seit Jahren immer mehr verloren, aus guten wie aus schlechten Gründen. Wenn wir nicht darauf achten, wird dieser Trend auch im hausärztlichen Bereich einkehren, bzw. sich fortsetzen. Damit gehen wichtige diagnostische und therapeutische Mittel verloren, die überdies kostengünstig sind.
Ich plädiere für ein gedeihliches Nebeneinander von Ultraschalluntersuchungen und Zuhören, von Berühren und MRT.