Was wenn die farbenprächtige Blumenwiese nur noch grau und eintönig erscheint? Der wolkenlose, klare Himmel nur noch eine undefinierbare Brühe darstellt? Oder der Fasnachtsumzug keine Zeichen der Entzückung auf Grund schillernden Regenbogenfarben hervorruft? Für die meisten Menschen sind solche Gedanken nur schwer vorstellbar, aber wie kommen Farbenblinde in einer solch farbenfrohen Welt zurecht?
Wichtig zu wissen ist, dass Farbenblind nicht gleich Farbenblind ist. Oftmals kennt man den Begriff nur von der relativ häufig bei Männern auftretenden Rot-Grün-Blindheit. Mehr als 10% der Bevölkerung sind von dieser Farbfehlsichtigkeit betroffen, der allergrösste Anteil besteht aus Männern, da die genetisch vererbte Rot-Grün-Blindheit mittels X-Chromosom weiter gegeben wird. Betroffene haben Mühe Rot von Grün zu unterscheiden, da beide Farben als unterschiedliche Braunabstufungen wahrgenommen werden. Ansonsten ist ihr Sehvermögen aber normal.
Eine seltene Erkrankung ist die echte Farbenblindheit. Der medizinische Ausdruck: Achromatopsie ist eine Farbsinnstörung, bei der keine Farben, sondern nur hell-dunkel Kontraste wahrgenommen werden können. Man unterscheidet zwischen angeborener und erworbener Achromatopsie, wobei bei der angeborenen Störung das Problem in der Netzhaut im Auge liegt und bei einer erworbenen Störung ein neulogisches Problem vorliegt. Weltweit sind nur etwa 50’000 von dieser Erkrankung betroffen. Die Ursache der Farbenblindheit liegt darin, dass auf der Netzhaut des Auges aufgrund genetischer Defekte keine funktiontüchtigen Zäpfchen vorhanden sind, welche hauptsächlich für das Farbensehen verantwortlich sind. Die Zäpfchen werden des weiteren auch für das scharfe Sehen bei hellem Licht gebraucht. Deshalb leiden Betroffene unter einer massiv eingeschränkten Sehschärfe, die nur etwa 10% des Normalsehenden beträgt. Die Stäbchen auf der Netzthaut, welche für das Schwarz-Weiss-Sehen und das Fokussieren in der Dämmerung zuständig sind, funktionieren völlig normal. Da diese jedoch bei hellem Tageslicht so sehr überbelastet werden, resultiert daraus eine extreme Blendempfindlichkeit. Je heller das Tagelicht, desto schwammiger werden Konturen von Gegenständen wahrgenommen. Aus diesem Grund wird die Farbblindheit oftmals auch als Tagblindheit bezeichnet. Ein weiteres wichtiges Symptom dieser Krankheit ist das Augenzittern (Nystagmus), welches ein unkontrollierbarer Reflex ist, der dann auftritt, wenn das Auge etwas zu fokussieren versucht.
Patienten, die von Geburt an mit der totalen Farbenblindheit leben müssen, machen die starke Blendempfindlichkeit und die geringe Sehschärfe die grössten Mühen. Oftmals können bekannte Personen auf der Strasse nicht erkannt oder im Einkaufshaus die Schilder der Produkte nicht gelesen werden. Bis heute gibt es leider noch keine Therapie oder Operation, welche die Störung beheben oder zumindest mindern könnte. Betroffene müssen so gut es geht mit den gegebenen Umständen klar kommen. Eine Kantenfilterbrille schützt zum Beispiel auch vor seitlich einfallendem Licht und ermöglicht es sich bei Tageslicht besser zurecht zu finden. Dies verringert das Blenden und verstärkt die Kontraste. Zur Verbesserung der Sehschärfe gibt es Lupen oder kleine Fernrohre, die weiter entfernte Gegenstände näher heran holen. Farben hingegen sind für solche Menschen meistens unwichtig. Sie wissen zwar dass eine Wiese grün sein sollte und der Himmel blau, aber vorstellen können sie sich diese Bilder nicht.
Einfach ist es sicherlich nicht für Farbenblinde sich in unserer farbengeprägten Welt zu behaupten. Fast alle unsere Zeichen und Regeln wie zum Beispiel Verkehrsschilder oder -ampeln funktionieren mit der Unterscheidung von Farben. Auch Beschreibungen von Gegenständen oder Personen werden mittels Farben gemacht. Auch verursacht das undeutliche Sehen viele Unsicherheiten und Ängste. Dennoch sagen Betroffene, dass ein schöner Sonnenuntergang durch die starken Kontraste auch für sie etwas Wunderbares sei oder wenn die warmen Sonnenstrahlen übers Gesicht streichen. Trist und farblos erscheint ihnen ihr Leben auf jeden Fall nicht.