Sie sind ein Segen der Menschheit, denn dank ihrer Entwicklung ist es gelungen, gefährliche Infektionskrankheiten wie Diphtherie, Cholera oder Syphilis wirksam zu bekämpfen – die Antibiotika. Doch breiten sich zunehmend Erreger aus, die gegen Antibiotika resistent sind. Bakterien mit veränderter biochemischer Struktur siegen über den Angriff der Antibiotika und lassen die Wirkung der eigentlich so harten Medikamente ins Leere laufen. Was also, wenn Antibiotika nicht mehr wirken? Dieses ernste Problem ist das zentrale Thema des Weltgesundheitstages, der am 7. April 2011 stattfindet.
Heute ist der Weltgesundheitstag, der jährlich am 7. April stattfindet. Mit diesem internationalen Ereignis erinnert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an den Tag ihrer Gründung im Jahr 1948, an dem erstmals ihre Verfassung in Kraft getreten ist. Die WHO mit ihrem Hauptsitz in Genf hat zum Ziel, allen Völkern dazu zu verhelfen, den bestmöglichen Gesundheitszustand zu erreichen. Diese Behörde der Vereinten Nationen wählt das zentrale Thema des Weltgesundheitstages aus, das in diesem Jahr die Entwicklung von Resistenzen gegen Medikamente ist.
Anlässlich des Weltgesundheitstages findet eine Veranstaltung in Berlin statt, die von der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e. V. (BVPG) fachlich vorbereitet und organisiert worden ist. Dieser gemeinnützige Verband organisiert seit seiner Gründung im Jahr 1954 den Weltgesundheitstag in Deutschland. Das Motto der Veranstaltung in Berlin, die Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Praxis ein Forum zum fachlichen Austausch bietet, lautet: „DART – gemeinsam Antibiotikaresistenzen verhüten und bekämpfen“. DART – diese Abkürzung steht für die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie, die im November 2008 auf Bundesebene verabschiedet worden ist. Dieses Konzept zur Bekämpfung der Ausbreitung resistenter Erreger in Deutschland soll bis zum Jahr 2013 umgesetzt werden. Mittels der DART werden Daten zur Resistenz bakterieller Erreger in Deutschland erfasst, sodass die Vermehrung neuer resistenter Keime frühzeitig erkannt und eingedämmt werden kann.
Wie aber kommt es dazu, dass Antibiotika plötzlich den Kampf gegen Mikroorganismen verlieren? Antibiotika sind natürlich gewonnene oder im Labor hergestellte Substanzen, die bereits in geringer Konzentration Bakterien abtöten oder diese in ihrem Wachstum hemmen. Sie greifen spezifische Strukturen der Bakterien an und wirken hauptsächlich durch die folgenden Mechanismen: Antibiotika hemmen den Aufbau der Bakterien-Zellwand oder sie machen die Bakterien-Zellmembran undurchlässig, wodurch die Bakterien abgetötet werden. Alternativ können Antibiotika entweder den Aufbau von Eiweißen, die für die Ernährung der Bakterien notwendig sind, oder den Aufbau der Nukleinsäuren hemmen, die die genetische Information der Bakterienzelle enthalten. Auf diese Weise können Antibiotika verhindern, dass sich die Bakterien weiterhin vermehren. Ist nun ein Antibiotikum nicht gegen ein spezifisches Bakterium wirksam, so ist der Erreger gegen das betreffende Antibiotikum resistent. Handelt es sich um eine natürliche Resistenz, so reagiert der Erreger aufgrund seiner ursprünglichen genetischen Struktur nicht auf das betreffende Antibiotikum. Bei einer erworbenen Resistenz hingegen liegen bei dem resistenten Bakterium Veränderungen des Erbguts vor, die entweder spontan oder dadurch zustande kommen, dass genetisches Material zwischen Bakterien ausgetauscht wird. Somit enthalten resistente Keime sogenannte Resistenzgene, aufgrund derer sie die Wirkung der Antibiotika außer Kraft setzen. Wenn verschiedene Bakterienstämme ihre Resistenzgene untereinander austauschen, können sich durchaus widerspenstige Erreger ausbilden: Sogenannte parallel- oder auch multiresistente Keime bieten erfolgreich mehreren Antibiotika die Stirn, die chemisch miteinander verwandt sind. Ein Beispiel für einen multiresistenten Keim ist der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), der Haut und Schleimhäute beim Menschen befallen kann und der eine besondere Gefahr für Krankenhäuser und Pflegeheime darstellt.
Die resistenten Erreger bedienen sich durchaus kreativer Methoden, durch die sie Antibiotika überlisten: So können sie beispielsweise spezifische Zellbestandteile, die von Antibiotika angegriffen werden, verändern oder auch im Übermaß produzieren, wodurch die Wirkung der Antibiotika ins Leere läuft. Ferner ist die Zellwand einiger resistenter Keime für Antibiotika undurchlässig oder die Erreger produzieren bestimmte Enzyme, durch die sie die antibiotischen Wirkstoffe wieder aus der Zelle ausschleusen.
Kommt eine bestimmte Bakterienart mit einem Antibiotikum in Kontakt, auf das sie empfindlich reagiert, so sterben die Keime ab beziehungsweise vermehren sich nicht weiter. Befinden sich in dem Bakterienstamm aber einige Bakterien, die (z.B. durch eine Mutation) resistent gegen das Antibiotikum sind, finden diese Erreger nun günstige Bedingungen vor – ihre „Konkurrenten“ um Platz und Nahrungsangebot sind ja verschwunden. Die resistenten Bakterien können sich dann rasch vermehren und einen neuen, resistenten Stamm ausbilden.
Auch wenn ein Antibiotikum in nicht ausreichender Dosierung angewendet oder bereits abgesetzt wird, bevor alle Erreger abgestorben sind, so ist es möglich, dass sich unter anderem resistente Bakterien vervielfachen.
Um der zunehmenden Bedrohung durch resistente Keime entgegenzuwirken, ist vor allem ein sachgerechter und verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika notwendig: Für Patienten ist es wichtig, ein individuell verordnetes Antibiotikum hinsichtlich der Dosierung und der Länge der Einnahmezeit genau nach den Anweisungen des Arztes anzuwenden. Gleichwohl liegt es in der Hand der Ärzte, Antibiotika erst nach einer sorgfältigen Untersuchung und Befragung des Patienten genau auszuwählen und nur dann einzusetzen, wenn sie tatsächlich notwendig sind. Ferner ist es von Vorteil, Antibiotika mit einem sehr breiten Wirkungsspektrum möglichst selten zu verordnen, um zu verhindern, dass sich resistente Erregerstämme gegen diese wichtigen Medikamente bilden.
Nach wie vor zählen Infektionskrankheiten zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Kommt es zu einer Infektion durch resistente Erreger, sind die therapeutischen Mittel stark beschränkt. Die Heilung des betroffenen Patienten verzögert sich beträchtlich oder bleibt sogar ganz aus. Dieses ernste Problem der zunehmenden Ausbreitung resistenter Erreger ist das zentrale Thema am heutigen Gründungstag der WHO. Ziel der DART ist es, die Wirkung der oftmals lebensrettenden Antibiotika gegenüber den raffinierten Mechanismen resistenter Keime zu erhalten.
Melanie Geiser, M. A.
Quellen:
- Bopp, A. et al.: Handbuch Medikamente. Vom Arzt verordnet – Für Sie bewertet. Alle wichtigen Präparate. Stiftung Warentest, Berlin 2004.
- Bundesministerium für Gesundheit: DART. Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie. Berlin, November 2008. http://www.bmg.bund.de/uploads/publications/Deutsche_Antibiotika_Resistenzstrategie_DART_110331_02.pdf (Abruf: 04/2011)
- Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. (BVPG) www.bvpraevention.de/cms/index.asp?bvpg (Abruf: 04/2011)
- Gesundheitsamt Bremen/Gesundheitsamt Bremerhaven: Empfehlungen zum Umgang mit multi-resistenten Erregern (MRE), am Beispiel MRSA. Eine Information für Alten- und Pflegeeinrichtungen. www.klinikum-bremen-nord.de/internet/kbn/de/Kliniken_Zentren/Geriatrie/Forschung_Lehre/Info_ORSA_MRSA_ESBL_MRE_Multiresistente_Keime_Pflegeeinrichtung_Geriatrie_Altersmedizin_Wrobel.pdf (Abruf: 04/2011)
- Informationen zum Weltgesundheitstag. www.weltgesundheitstag.de/index.html (Abruf: 04/2011)
- Mutschler, Ernst et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2008.
- Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. Walter de Gruyter, Berlin 2007.