Balthasar

„Es wird Weihnachten!“ flötet Jenny ins Telefon.
„Hä?“
Draußen zwitschern die Vögel, der Himmel strahlt in kräftigstem Frühlingsfrühsommerblau und die Temperaturen haben freibadtaugliche Werte erreicht… okay, wenn man nicht zu empflindlich ist.
„…Kaspar, Melchior und Balthasar…“ flötet Jenny weiter.
Ich zucke zusammen.
„Hattest Du Balthasar gesagt?“
„Balthasar Stroop, geboren…“
„Kommt mit Rückenschmerzen?“
„Mit Rückenschmerzen und Notärztin!“
Mit einem Fluch werfe ich mir den weißen Kittel über und schlurfe in die Notaufnahme.
In der Küche sitzt Anna im roten Notarztkostüm und füllt das Formular aus.
Ich lasse mich ihr gegenüber auf einen Stuhl fallen und greife nach der Kaffeekanne.
„Willste auch einen?“
Sie schüttelt den Kopf.
„Was ist los? Schnupperst Du heute Landluft?“
Anna wirft mir einen langen Blick zu.
„Der Typ scheint Dich zu kennen!“ sagt sie.
Das ist wahr. Allerdings ist es die Art von Bekanntschaft, auf die man auch gerne verzichten kann.
„Was will er denn heute?“ frage ich.
Anna zuckt mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Frag ihn doch selbst!“
„Habt Ihr ihm irgendwas schönes gegeben? Opiate? Benzos? Dormicum? Ketanest?“
„Steht alles im Protokoll!“ sagt Anna, reißt den oberen Durchschlag ab, schiebt mir mir das verbleibende Stück Papier zu und steht auf.
„Ich muss dann mal wieder. Schönen Abend noch! Und viel Spaß mit Balthasar!“
Ich schaue ihr noch eine Weile nach, dann mache ich mich seufzend auf den Weg ins Behandlungszimmer.
„Was gibt’s, Balthasar?“ frage ich in einem Ton, der keinen Zweifel daran läßt, was ich davon halte, nachts um halb fünf aus dem Bett geworfen zu werden.

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