Landarzt – Idyll versus Horror
Kaum ein Beruf wird so unterschiedlich dargestellt und wahrgenommen, wie der eines Landarztes. Auf der einen Seite das perfekte Idyll in wie aus dem Ei gepellten Fernsehserien. Der Arzt als Held im Nobelauto, mit perfekter Familie, im Dauereinsatz zum Wohle der Menschheit. Auf der anderen Seite, aus Sicht der Jungmediziner und frustrierter Altgedienter, das Bild vom Grauen an sich. In den Weiten der Flächenländer auf verlorenem Posten sitzend – überarbeitet, unterbezahlt, unabkömmlich, fernab jeder Kultur und Infrastruktur, erstickend in Verwaltungsarbeit.
Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte
Beide Darstellungen sind Unsinn. Aber nach mehr als 24 Jahren Hausarztleben kann ich behaupten, dass die Fernsehversionen der Wahrheit immerhin näher kommen als die Horrorversionen. Dabei kommt es allerdings sehr darauf an, wie man eine Existenz als Landarzt angeht.
Diese Artikelreihe ist vor allem für junge Ärzte zur Motivation geschrieben und für ältere, denen vielleicht noch Zeit bleibt, ihr frustrierendes Berufsleben zu ändern. Außerdem ist sie für Patienten gedacht, die sich fragen, warum es eigentlich keinen Nachwuchs in den ländlichen Regionen gibt. Die Antwort darauf ist einfach:
Es wird viel falsch gedacht und falsch gemacht, wenn es um das Thema Landarztpraxis geht. Darüber hinaus ufert das aus, was man in diesem Zusammenhang am besten mit Latrinenparolen bezeichnet. Jeder, der keine Ahnung hat, weiß etwas zum Thema Arzt auf dem Lande zu sagen. Vor allem Politiker, Krankenkassenmanager und die eigene Fraktion der Selbstverwaltung, meist Ärzte in der Großstadt oder an Uni-Krankenhäusern, tun sich hervor. Landärzte, die selbst kein gutes Haar an ihrem Beruf lassen, ihr Jammern sogar an Patienten auslassen, arbeiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in einer Einzelpraxis.
Ich sage auch etwas zum Thema – als erfahrener Praktiker und als inzwischen ansehnlich auf ökonomischem Gebiet fortgebildeter Kleinunternehmer im medizinischen Bereich.
Selbstverständlich gibt es negative Aspekte in diesem Beruf, jede Menge sogar, aber um die geht es hier erst in zweiter Linie. Erstens sind die bedeutendsten negativen Seiten auszumerzen und zweitens sind sie vergleichsweise nachrangig. Wer sich als Arzt an den negativen Seiten des Berufes festhält, kann ihn nämlich nicht mehr freien Herzens ausüben, weder im Krankenhaus noch in der Großstadt oder auf dem Land.
Kleiner Unterschied – große Wirkung
Der Unterschied zwischen „Gut und Böse“ beim Thema Kleinstadt- oder Landarzt ist nahezu vollständig an einer Einzelheit festzumachen. Sie lautet: Allein oder gemeinsam. Niemals, ich betone – N I E M A L S würde ich als Einzelkämpfer eine Arztpraxis auf dem Land führen, es sei denn, ich wollte nichts anderes sein als Arzt, rund um die Uhr, jeden Tag, jede Woche, jedes Jahr. Aber ich persönlich bin ein Mensch, der gern noch ein paar Dinge außerhalb der Medizin genießt und der eine Familie gegründet hat, um Zeit mit ihr zu verbringen und an ihrer Entwicklung teilzuhaben.
Selbst eine Gemeinschaftspraxis zu zweit wäre mir zu wenig, mindestens zu dritt sollte so eine Unternehmung umgesetzt werden. In unserer Praxis arbeiten wir zu sechst, bald zu siebt und wir suchen noch einen weiteren Assistenten.
Das hat sich entwickelt, macht meistens Spaß, schafft Sicherheit und Abkömmlichkeit. Aber wie geht das?
Mehr zu den Themen Gemeinschaftspraxis, Organisation, Abrechnung und damit Einkommen in den nächsten Artikeln.