Beruf Landarzt – besser geht’s nicht (4)

In den nächsten Folgen soll die Situation des Hausarztmangels in ländlichen Gebieten nachvollzogen werden. Sinn ist, danach eine mögliche Lösung des Problems zu konstruieren.
Beispiel einer Entwicklung von Hausarztsitzen und Krankenscheinzahlen einer fiktiven (aber realitätsnahen) Region in Niedersachsen innerhalb von 16 Jahren (Bilder zum Vergrößern anklicken)


Die Ausgangslage 1995
Im Jahr 1995 praktizieren in den vier stilisierten Dörfern fünf Hausärzte. Sie betreuen zusammen etwa 6.000 Patienten pro Quartal. Damals war das eine durchaus zu bewältigende Aufgabe. Einzelpraxen mit über 1.000 Krankenscheinen (KS) pro Quartal sind zwar schon 1995 kein Zuckerschlecken, aber mit 40 – 50 Arbeitsstunden die Woche, zzgl. Bereitschaftsdiensten war die Aufgabe zu meistern. Der Hausarzt in Dorf B dürfte unter Überlastungssymptomen gelitten haben.
Neue Situation 1998
Im Jahr 1998 setzt sich der Hausarzt in Dorf D im Alter von 68 Jahren zur Ruhe. Einen Nachfolger findet er nicht, obwohl er sich seit fünf Jahren bemüht.
Seine 900 Patienten verteilen sich auf die übrigen Ärzte. Besonders der Arzt im Nachbardorf C muss “leiden”. Insgesamt haben die vier verbliebenen Hausärzte jetzt 6.300 Patienten pro Quartal zu betreuen. Dieser Gesamtanstieg berücksichtigt, dass immer mehr Menschen Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen und insgesamt schneller bereit sind, zum Arzt zu gehen. Die Ärzte in Dorf B und C sind vollkommen überlastet. Die beiden Hausärzte in Dorf A haben ebenfalls die Grenze der Belastbarkeit erreicht.

Vier Jahre später
Der Hausarzt in Dorf B ist 2002 häufiger krank als gesund. Er kann nicht mehr. Mit 63 Jahren könnte er es sich leisten, die Praxis aufzugeben, findet aber keinen Nachfolger. Eine Praxisaufgabe mag er unter diesen Umständen seinen Patienten und Kollegen nicht zumuten. Stattdessen macht er einen harten Schnitt, nimmt keine neuen Patienten mehr an und behält nur noch seine über 70-jährigen Patienten. Keine einfache Aufgabe, aber nach vier Quartalen ist er Ende 2003 etwa dort, wo er hinwollte.
Einer der beiden Hausärzte in Dorf A, selbst schon nahe dem Rentenalter, weigert sich neue Patienten anzunehmen. Sein Mitstreiter im Dorf und der Hausarzt in Dorf C sind hoffnungslos überlastet. Zu den vielen Arbeitsstunden gesellt sich die Gewissheit, keine ordentliche Medizin mehr leisten zu können. Überdies hat sich der Kollege in Dorf B aus gesundheitlichen Gründen vom Bereitschaftsdienst befreien lassen.
Der Stand heute
Selbst seine geschrumpfte Praxis kann der Hausarzt in Dorf B nicht mehr bewältigen, mangels Nachfolger schließt er im Jahr 2007 seine Praxis nach 32 Jahren Hausarztleben. 2009 konnte der Hausarzt in Dorf C aus gesundheitlichen Gründen für ein komplettes Quartal nicht praktizieren. Zur Zeit praktiziert er im reduzierten Betrieb und hat für 2012 die Praxisaufgabe angekündigt.
In Dorf A gibt es seit dem letzten Jahr nur noch einen Hausarzt, der vollkommen überlastet ist. Er hat die Sechzig ebenfalls überschritten und würde lieber heute als morgen viel weniger arbeiten. Im Moment kommt er mit 300 Stunden im Monat nicht hin. Assistenzärzte, die er von Zeit zu Zeit einstellt, flüchten schnell wieder. Partner sind trotz intensiver Bemühungen keine zu finden.
Geblieben sind also zwei Ärzte von fünfen, wobei einer nur noch ein knappes Jahr praktizieren wird. Die Patienten, die nicht mehr in den Dörfern versorgt werden, sind teilweise auf die benachbarten Kleinstädte im Nordosten und Süden ausgewichen. Allerdings ist die Lage in der südlichen Kleinstadt inzwischen ebenfalls katastrophal.
Mehr zur Situation in dieser fiktiven Region im nächsten Artikel

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