Wieder einmal ein Nachtdienst für Sunny. Sie wollte sich gerade aufs Ohr legen, als die Rappelkiste an ihrem Gürtel einen neuen Einsatz ankündigte. “Sturz in eine 1,5 m tiefe Baugrube” hieß es. Anfahrt mit Sonderrechten, aber erst mal ohne NEF. Na gut, dann würden sie eben erst mal gucken fahren, 1,5 m waren ja jetzt auch nicht die Welt. Einsatzort war, wieder einmal, eine der Großbaustellen in der Stadt. Wie dort jemand mitten in der Nacht in eine Grube fallen konnte war Sunny allerdings noch nicht ganz klar.
An der Baustelle angekommen erwartete sie schon eine wild winkende Frau. Ihr doch recht alkoholisierter Freund wäre beim Versuch, Kirschen zu pflücken, auf der Baustelle in ein Loch gefallen und käme jetzt nicht mehr heraus. Das Ganze wurde immer suspekter. Die Frau führte sie an den Rand der Baustelle. Überall war Gestrüp und von einer Baugrube weit und breit nichts zu sehen. Plötzlich hielt die Frau an. Mitten in diesem Gestrüp stand ein Kirschbaum und genau darunter, gut in der Vegetation verborgen, sah Sunny nun auch ein Loch im Erdboden. Warum dieses Loch dort war konnte niemand sagen, aber die Rettung würde spannend werden. Das Loch hatte etwa einen Durchmesser von ca 1,5 Metern und war gut 2 Meter tief. Und unten in diesem Loch lag der Freund der Einweiserin mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Sunnys Kollege kletterte schon in das Loch, darauf achtend, nicht auch noch auf den Patienten zu stürzen. Nach einer kurzen Anamnese und einem Bodycheck war klar, dass sie ohne Notarzt und eine ordentliche Analgesie nichts ausrichten konnten. Das Becken des Patienten war instabil, einige Rippen waren wohl in Mitleidenschaft gezogen und auch der rechte Unterarm war nicht heil geblieben. Also schön einen Schriftgelehrten nachbestellt. Da sich aber auch die Frage stellte, wie man den Verletzten aus seiner Lage befreien konnte, da eigentlich nur eine einzige zusätzliche Person mit zum Patienten in das Loch passte, wurde kurzerhand die Feuerwehr zur Bergung des Patienten und Ausleuchtung des Geschehens gleich mit alarmiert, da es auf der Baustelle auch stockfinster und es absolut hinderlich war, dass jeder eine Taschenlampe mit sich herum trug.
Sunny war immer noch nicht ganz klar, wie man sich von einem 2 Meter Sturz solche Verletzungen zuziehen konnte. Und so fragte sie die Einweiserin, wie das genau passieren konnte. Dabei stellte sich heraus, dass der Freund auf den Baum geklettert war, dann in etwa 3 Metern Höhe den Halt verloren hatte, gefallen, auf die Kante des Loches und dann noch in das Loch selbst gestürzt war. Jetzt wurde Sunny so einiges klar.
Ein venöser Zugang war schnell gelegt, der Notarzt auch recht schnell vor Ort und der Patient nach erneuter Untersuchung durch den Notarzt aufgrund seines Alkoholkonsums mäßig analgesiert. Zwischenzeitlich war auch die Polizei eingetroffen, die von der Leitstelle auch mal vorsorglich zum Einsatzort bestellt worden war.
Als die Feuerwehr eintraf ging dann alles recht schnell. Nachdem einer der Feuerwehrleute beinahe ebenfalls in das Loch gestürzt wäre, wurde die Schaufeltrage provisorisch hinter den Patienten geklemmt und mit ausreichend Manpower und einem Seil als Hilfsmittel konnte der Patient dann recht problemlos zuerst auf die Schaufeltrage und dann mit dieser aus dem Loch gezogen werden. Anschliessend wurde er auf die Vakuummatratze verfrachtet, an das komplette Monitoring angeschlossen und zum nächsten Schockraum gebracht.
Dort bestätigten sich dann alle Verdachtsdiagnosen. Multiple Beckenfraktur, Unterarmfraktur rechts und Rippenserienfraktur inklusive Pneumothorax, was dem Patienten einen mehrstündigen OP-Aufenthalt bescherrte.
So schnell würde er vermutlich keine Kirschen mehr pflücken gehen.