Als Mediziner muss ich mich mit Abkürzungen auskennen. COPD, FSME oder PET? Kein Problem – ich weiß Bescheid. Auch bei ESC muss ich nicht lange grübeln. ESC steht für die European Society of Cardiology: Ob mit Leitlinien oder dem jährlichen Kongress – die europäische Fachgesellschaft für Kardiologie setzt Maßstäbe, wenn es um das Thema Herz geht. Moment mal, bei ESC fällt mir doch noch was anderes ein…
Genau: Der Eurovision Song Contest! Okay, der hat mit Kardiologie eigentlich nichts zu tun. Trotzdem. Dieser Kult(ur)-Event, der am kommenden Samstag in Düsseldorf stattfindet, ist auch etwas fürs Herz. Das verrät mir schon das diesjährige Motto “Feel your heart beat!”. Es soll um große Gefühle gehen: Begeisterung, Herzklopfen, Mitfiebern, Liebe, Leidenschaft. Da liegt es nahe, dass sich die Veranstalter – ähnlich wie die Kollegen der European Society of Cardiology – ein Herz als Logo ausgesucht haben.
Nicht nur in diesem Jahr hat der ESC was Herzhaftes. Bereits 2010 eroberte Gewinnerin Lena Meyer-Landrut die Herzen Europas und bedankte sich mit einem “I heart you all!” besonders herzlich beim Publikum. Auch schon in der Prä-Lena-Phase war bei den deutschen ESC-Teilnehmern Herz Trumpf. 1987 verfehlte die Gruppe Wind mit dem Titel Lass die Sonne in Dein Herz den Sieg nur knapp. Um Herzensangelegenheiten ging es auch bei Wencke Myhre (Ein Hoch der Liebe, 1968), Mary Roos (Nur die Liebe lässt uns leben, 1972), Guildo Horn (Guildo hat Euch lieb, 1998) und Michelle (Wer Liebe lebt, 2001). Neben all dem Herzschmerz blieb da kaum Platz für andere medizinische Fachgebiete: Mary Roos hatte bei ihrer zweiten ESC-Teilnahme 1984 anscheinend nicht mehr soviel Lust auf Kardiologie und widmete sich lieber dem Bewegungsapparat (Aufrecht geh’n). Und Stefan Raab? In seinem Song ging’s irgendwie um das Thema Anamnese (Wadde hadde dudde da?).
Das große Finale 2011 ist jetzt nur noch einen Herzschlag entfernt. Was gibt es in diesem ESC-Akutstadium zu beachten? Die Teilnehmer werden ihre Stimmbänder belasten, klar. Showacts in aus orthopädischer Sicht zweifelhaftem Schuhwerk bringen zusätzlich Knie– und Außenbänder in Gefahr. Generell zählt beim Auftritt voller Körpereinsatz: Tiefes Dekolleté, hoher Rocksaum. Und viele der Background-Tänzer machen sich obenrum schon mal frei.
Auch die Zuschauer bekommen den ESC zu spüren. Während dem einen manch musikalische Darbietung gehörig auf die Ohren geht, stockt dem anderen dabei vor Begeisterung der Atem. Ein klarer Beweis: Hier spielt eindeutig der Geschmackssinn eine zentrale Rolle.
Einen Gesundheitstipp sollten ESC-Zuschauer am Samstag aber beherzigen: Passen Sie auf Ihre Finger auf! Vermeiden Sie hektische Tippbewegungen beim Telefon-Voting, zu wildes Applaudieren und verkrampftes Daumendrücken. ESC ist eben nichts für die Hände – sondern was für’s Herz!