Das Kompetenznetz HIV/AIDS steht vor dem Aus, doch vorerst wird weiter geforscht. Patienten fragen sich nun, ob der Datenschutz noch gewährleistet ist oder ob sie die Vernichtung ihrer Daten und Proben verlangen sollten. Siegi Schwarze, Mitglied im Patientenbeirat, findet: Es wäre fatal, jetzt auszusteigen
Das Geld ist aus – diese Tatsache lässt sich nicht leugnen. Die Frage ist nun: Wie verwertet man die Überreste der Kohorte optimal? Einige Forschungsprojekte laufen weiter und viele Forscher haben noch Ideen, wie man die Daten und das gesammelte Biomaterial intelligent auswerten kann.
Das Problem dabei ist, dass viele Fragestellungen „seriell“ sind, man also erst die Auswertung der einen Datenbankabfrage abwarten, bevor man eine neue formulieren kann. Mit anderen Worten: Die Auswertungen werden noch einige Zeit brauchen, womöglich Jahre. Deswegen wäre es fatal, wenn sich jetzt viele Patienten zum „Ausstieg“ entschlössen und die Löschung ihrer Daten sowie die Vernichtung ihrer Blut- und Gewebeproben verlangen würden.
Der Datenschutz wird durch die Zentralisierung eher erleichtert
Als Begründung für diesen Schritt wird immer wieder der Datenschutz herangezogen. Doch mit dem Ende des Projekts und der Zentralisierung der Daten und der Proben in Bochum wird der Datenschutz eher erleichtert, da die Überwachung an nur einem Ort leichter möglich ist.
Zwar ist die Deutsche AIDS-Hilfe in Zukunft nicht mehr in das Projekt involviert, aber sowohl das Steering-Committee als auch der Patientenbeirat werden ihre Arbeit fortsetzen und über einen sachgemäßen Umgang mit Daten und Materialien wachen.
Die meisten Laborwerte sind datenschutztechnisch ohnehin eher uninteressant. Brisant ist vor allem die Frage nach dem HIV-Status, also letztlich die Tatsache, dass alle Patienten in der Kohorte HIV-positiv sind. Dass die Daten der Kohorte nicht beschlagnahmesicher sind, ist aber kein wirkliches Problem: Die Informationen sind pseudonymisiert abgespeichert; sie werden mit einem Code aus dem Namen der Stadt, der Nummer des Behandlungszentrums sowie der laufenden Nummer des Patienten erfasst (also zum Beispiel Berlin02-38). Nur der jeweils behandelnde Arzt kann den Daten und Proben den echten Namen der jeweiligen Patienten zuordnen – und der steht unter Schweigepflicht.
Es gibt zurzeit keinen Grund auszusteigen
Es ist übrigens bisher noch nie der Fall eingetreten, dass tatsächlich Daten aus Studien als Beweismittel in Prozessen verwendet worden wären. Selbst für den – extrem konstruierten – Fall, dass ein Staatsanwalt mit Hilfe der Biomaterialien aus dem Kompetenznetz nachweisen wollte, dass ein Patient A einen Patienten B infiziert hat, ist dies schon wenige Monate nach der Blutabnahme nicht mehr möglich, da sich ohne Behandlung das Virus in kurzer Zeit so stark verändert, dass die Ähnlichkeit zum Virus eines anderen Patienten nicht mehr aussagekräftig ist. Während einer erfolgreichen Behandlung kann sich das Virus zwar nicht vermehren, also auch nicht verändern, allerdings ist der Patient bei einer Viruslast unter der Nachweisgrenze praktisch auch nicht mehr infektiös.
Fazit: Alle Szenarien, die als Argument für einen Ausstieg aus dem Kompetenznetz bemüht werden, sind mehr oder weniger konstruiert und halten einer genaueren Betrachtung nicht stand. Lassen wir also den Forschern die nötige Zeit um die verbleibenden Daten und Biomaterialien optimal auszunutzen. Denn wenn man jetzt aussteigt, war ein Großteil der Mühen (und Kosten) für die Katz.
Und wer weiß, vielleicht findet sich ja doch noch eine Finanzierungsquelle. Dann könnte die Datenbank problemlos reaktiviert werden und die Erfassung der Daten und Biomaterialien könnte mit kurzer Unterbrechung fortgesetzt werden.
Gestern erschien Teil 1 unserer Serie zum Kompetenznetz: Das Ende nach 18,6 Millionen von Steffen Taubert
Morgen erscheint Teil 3 : Corinna Gekeler widmet sich der Frage, ob eine Weiterführung der Kohorte überhaupt sinnvoll wäre