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Zukunft der Bundeswehr: Gedopte Supersoldaten
Neuro-Enhancement ist schwer in Mode. Darunter versteht man hauptsächlich medikamentöse Massnahmen, die kognitive Fähigkeiten oder psychische Befindlichkeiten von als gesund geltenden Menschen verbessern. Neuro-Enhancement hört sich auch besser an als “Arzneimittelmissbrauch”, denn die dafür verwendten Präparate sind eigentlich für Demenzerkrankungen, Depressionen, Aufmerksamkeitsstörungen oder Narkolepsie entwickelt worden.
Während Doping mit dem Ziel, Muskelberge zu bekommen oder die Ausdauer zu verbessern, gesellschaftlich geächtet ist, werden Meldungen über das Gehirndoping von einer interessierten Öffentlichkeit erwartungsfroh aufgenommen. Selbst die DAK informiert im Internet über Wirkungen und Nebenwirkungen.
Dopingbetrug ist eine besondere Form des Medikamentenmissbrauchs, da es vereinbarte Regeln des Fair Play beim Sport missachtet. Was ist, wenn Medikamentenmissbrauch ausserhalb des Wettkampfes einem persönlichen, gesellschaftlich erwünschtem Ziel dient? Im Mai 2009 hatte Prof. Klaus Müller, langjähriger Leiter des Instituts für Dopinganalytik in Kreischa, auf einer Anhörung des Bundestagssportausschusses gesagt, er wisse von dopenden Soldaten, Polizisten und auch Sportstudenten, die körperlich fit sein müssten und dabei auf der Suche nach der Lücke zum “gesunden Medikamentenmissbrauch” seien.
Dieser gesunde Medikamentenmissbrauch ist bei bunten Pillen zur Erhöhung der Aufmerksamkeit, Lernfähigkeit oder Merkfähigkeit nicht nur individuelles Ziel, sondern beschäftigt selbst staatliche Stellen wie die Bundeswehr. Im Dezernat Zukunftsanalysen im Zentrum für Transformation der Bundeswehr macht sich die zuständige Dezernentin Gedanken über die Möglichkeiten, die Leistung des “System Soldat” zu steigern, und veröffentlicht das Ergebnis in einem Artikel in der September-Ausgabe des Behördenspiegels, einer Monatszeitung, die sich an den öffentlichen Dienst und Lobbyisten wendet.
Schon in der Darstellung der möglichen Wirkstoffe wie Modafinil, Donepezil oder Galantamid in der Übersicht stellt die Autorin, Dr. Annika Vergin, klar, dass Medikamentenmissbrauch keine Dimension für die Bundeswehr ist. Neben der Spalte “Krankheit”, mit der Indikation des Arzneimittels, wird die eigentliche “Anwendung” beschrieben. So wird Prozac® (in Deutschland Fluctin®), das für Therapie gegen Depressionen zugelassen ist, seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt: “Stimmungsaufheller”.
Im weiteren werden die Einsatzmöglichkeiten im Militär und die Erkenntnisse aus Studien aufgezeigt. Nebenwirkungen, Risiken oder gar Warnungen der Arzneimittelbehörden spielen bei der Freude über die Steigerung der Wehrkraft keine Rolle.
Es geht auch ohne Medikamente, so die Erwartung der Autorin. Durch transkranielle Magnetstimulation (TMS) könnten Teile des Gehirns abgeschaltet werden. Zwei Studien hätten gezeigt, dass eine kurzfristige Leistungssteigerung bei übermüdeten Personen möglich wäre. Der erste Schritt zur Entwicklung eines “Anti-Müdigkeits-Helms” für Piloten wäre bereits getan. Hier driftet die Mitarbeiterin des Dezernat “Zukunftsanalysen” sehr in die Science Fiction ab. Mittelfristig wird an den Produkten der Pharmaindustrie kein Weg vorbei führen.
Die Wertung der Autorin fällt positiv aus. Sie sieht sogar die Pflicht des Staates, die Soldaten mit dem Doping-Arsenal von Big Pharma auszurüsten.
Die Entwicklung von Methoden oder Substanzen, die Soldaten ermöglichen, bis zu sieben Tage ohne Schlaf kampf- und einsatzfähig zu bleiben – ohne bleibende Schäden – ist ein Teil eines Programms der US Militärforschungsbehörde DARPA namens Enhancing Human Performance in Combat. In dem Artikel wird bedauert, dass die Bundeswehr keine eigenen Forschungsprogramme unterhalte, die sich mit “Neuro-Enhancern” befassen, obwohl der Wehrmedizinische Beirat 2007 die Festlegung medizinischer und ethischer Bedigungen für einen Einsatz solcher Mittel für erforderlich gehalten hätte.
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