Reden wir über Geld (3)
Die Situation in den Dörfern A-D ist jetzt hinreichend bekannt. In dem heutigen Artikel soll mal für einen Moment so getan werden, als würden sich junge Ärzte darum reißen, aufs Land zu gehen, um dort Patienten zu versorgen.
Der Traum stellt sich wie folgt dar:
Drei fertig ausgebildete Jungärzte im Alter zwischen 32 und 36 Jahren ziehen ins Dorf A und betreiben gemeinsam eine Landarztpraxis. Außerdem kennen sie zwei junge Kolleginnen, die ebenfalls Fachärzte für Allgemeinmedizin sind. Die beiden Frauen haben Kinder und wollen deswegen halbtags arbeiten. Mit Selbstständigkeit und dem Drum und Dran wollen sie nichts zu tun haben. Diese beiden Ärztekolleginnen werden von den drei Praxiseigentümern angestellt.
Alle zusammen übernehmen die Versorgung der Dörfer A-D mit Praxissitz in Dorf A.
Zur Erinnerung: Zuletzt wurden in Dorf A und C noch 3.300 Patienten versorgt. Für den Arzt in Dorf A wurde ein Umsatz pro Krankenschein von etwa 35 Euro pro Patient pro Quartal errechnet (340.000 Jahresumsatz durch 2.400 Patienten durch 4 Quartale). Der Scheinschnitt des Arztes in Dorf C war durch weniger Patienten (keine Abstaffelung) sicher etwas besser.
Die drei Ärzte und zwei Halbtagsärztinnen arbeiten in der vorhandenen Praxis in Dorf A. Durch Einführung einer geschichteten Sprechstunde und Anbindung eines Stallgebäudes an die bestehende Praxis stehen problemlos ausreichend Räumlichkeiten zur Verfügung. Die Kosten dafür belaufen sich auf 150.000 Euro. Die bestehende Altpraxis wird gekauft. Dafür sind weitere 150.000 Euro fällig. Darüber hinaus einigen sich beide Parteien (unter Hinzunahme des Arztes in Dorf C) auf Kosten für die bestehenden Patientenkarteien und Praxiseinrichtungen von insgesamt 75.000 Euro.
Dazu kommen noch die Kosten einer zunächst zurückhaltenden Renovierung der Altpraxis und die Aufrüstung der Gesamtpraxis mit einer Computer-Anlage. Weitere 75.000 Euro sind fällig.
Die Investitionssumme beträgt alles in allem 450.000 Euro.
Für jeden Arzt, der bereit ist, sich auf dem Lande niederlassen, steuert die zuständige kassenärztliche Vereinigung 50.000 Euro bei. Die drei Ärzte haben jeder privat 50.000 angespart. Damit besteht ein Kreditbedarf von insgesamt 150.000 Euro.
Der Altarzt in Dorf A stundet den jungen Kollegen 75.000 für 3 Jahre, tilgungsfrei, zu einem Jahreszins von 2.5%, der jeweils zum Jahresende fällig wird (1.875 Euro). Er ist froh, dass seine Praxis überhaupt übernommen wird. Der Arzt in Dorf C stundet die ihm zustehenden 25.000 Euro ebenfalls. Bleiben 50.000 Euro Finanzierung durch eine Bank.
Das Projekt kann also starten.
Die Nachricht von der neuen Gemeinschaftspraxis spricht sich schnell herum. Die Patienten strömen. Es bleibt nicht bei den 3.300 Patienten, die zuletzt durch die Ärzte in Dorf A und C versorgt wurden. Innerhalb kürzester Zeit werden es 4.000/Quartal mit steigender Tendenz. Wir erinnern uns, das „Patientenpotential“ dieser vier Dörfer lag einst bei über 6.000, dazu kommt die schleichende Überlastung der Ärzte in der südlichen Kleinstadt. Ein weiteres Wachstum der neuen Gemeinschaftspraxis (richtiger: Berufsausübungsgemeinschaft, herrliches Wort) ist also anzunehmen.
Der Altarzt aus Dorf A sieht wie der „Laden brummt“ und toll organisiert ist. Nach einer längeren Reise wird er von den jungen Kollegen gefragt, ob er sich vorstellen könnte, noch halbtags zu arbeiten. Er ist einverstanden und wird ebenfalls angestellt, voraussichtlich für drei Jahre, dann ist er 67.
Zusammen mit einer der beiden Ärztinnen decken die beiden Halbtagsärzte fast die gesamte Besuchstätigkeit der Praxis ab. Dazu versorgen sie zwei Altenheime mit Visiten. Die zweite Halbtagsärztin ist Diabetes-Spezialistin und ein Organisationsfreak. Sie bekommt die Aufgabe den gesamten DMP-Komplex zu strukturieren und sich um die HZV-Einschreibungen zu kümmern. (DMP = Disease-Management-Programm, HZV = hausarztzentrierte Versorgung = Hausarztverträge)
Im nächsten Artikel, bis zu dem es keine Woche dauern wird, folgt die entsprechende betriebswirtschaftliche Analyse dieser kleinen Träumerei.