Sauberer Kittel, souverän-gewinnendes Lächeln und zur Feier des Tages sogar eine Krawatte, so trete ich heute die Visite an.
„Also, Frau Gerber, das Warten hat ein Ende!“
Die Patientin strahlt.
„Werde ich jetzt gesund?“
Langsam schüttele ich den Kopf.
„Nein, das leider nicht.“
Die Patientin sinkt in Ihre Kissen zurück.
„Schade, Herr Doktor…“
„Ich sagte: das Warten hat ein Ende!“
Sie runzelt die Stirn.
„Wie meinen Sie das?“
Ich deute auf den zerlesenen Arztromantikliebescnnulzkitschroman auf ihrem Nachttisch.
„Den brauchen Sie jetzt nicht mehr!“
„Äh… wieso?“
„Weil es jetzt etwas Besseres gibt!“
Sie schaut mich argwöhnisch an.
Ich lange in meine Kitteltasche und hole etwas hervor. Dieses Etwas ist blau, hat 208 Seiten und die ISBN 9783842364103. Frau Gerber nimmt es mit zitternden Händen entgegen.
„Ein Buch?“ fragt sie.
Ich räuspere mich.
„Balthasar und die Kunst des Heilens,“ hebe ich an, „ist ein wunderbares Werk. Es handelt von…“
Frau Gerber starrt mich an. Ihre Gesichtsfarbe geht jetzt ins Rötliche.
„Das macht dann elf Euro fünfundneunzig!“ sage ich.
„Das ist doch die größte Unverschämtheit, die mir je untergekommen ist!“ brüllt Frau Gerber, „Was fällt Ihnen ein, Sie… Sie…“
Das Buch fliegt einen halben Zentimeter an meinem linken Ohr vorbei und landet zielsicher im Papierkorb. Ich traue mich nicht, es dort herauszuholen.
„Ich glaube, wir müssen die Sache anders angehen!“ sage ich zu Anna am Telefon.